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Literatur: Die Rushdie-Affäre, wiedergelesen

18 Jahren nach der Herausgabe der Fatwa gegen Salman Rushdie stehen die meisten Intellektuellen und Kommentatoren auf seiner Seite. Damals jedoch übten einige wichtige literarische und politische Stimmen Kritik an Rushdie.

Die Literaturredakteurin Rachel Donadio erinnert in der New York Times an die Reaktionen auf die Todes-Fatwa gegen Salman Rushdie:

Als England Salman Rushdie vergangenen Monat zum Ritter schlug, protestierten viele in der ganzen muslimischen Welt. Diese Reaktion erinnerte an den Februar im Jahr 1989, als Ajatollah Ruhollah Khomeini eine Fatwa herausgab, die Rushdie und seine Verleger zum Tode verurteilte. In diesen Tagen stehen die meisten Intellektuellen und Kommentatoren auf Rushdies Seite, so wie damals auch. Aber es ist lehrreich, zur Zeit der Fatwa zurückzukehren, als einige wichtige literarische und politische Stimmen Kritik an Rushdie übten.

Zu ihnen zählte Jimmy Carter. Im März 1989 schrieb er in einem Op-Ed mit dem Titel "Rushdies Buch ist eine Beleidigung" in der "New York Times", dass "Die satanischen Verse" Mohammed "diffamieren" und den Koran "verunglimpfen". "Der Autor muss eine entsetzte Reaktion in der ganzen muslimischen Welt vorhergesehen haben", schrieb Carter. Während er die Todesfatwa verurteilte und Rushdies Recht auf freie Meinungsäußerung bekräftigte, argumentierte der ehemalige Präsident, dass "wir dazu neigten, ihn und sein Buch zu unterstützen, und dabei kaum berücksichtigten, dass es eine direkte Beleidigung darstellt für diese Millionen von Muslimen, deren heilige Glaubensinhalte verletzt wurden."

Roald Dahl war noch harscher. In einem Brief an die Londoner "Times" nannte er Rushdie "einen gefährlichen Opportunisten" und sagte, "er muss sich voll im Klaren gewesen sein über die tiefen und gewalttätigen Gefühle, die sein Buch unter gläubigen Muslimen auslösen musste. In anderen Worten: Er wusste genau, was er tat, und kann sich nicht rausreden. Diese Art der Skandalisierung bringt ein wenig beachtetes Buch an die Spitze der Bestsellerliste – aber meiner Meinung nach auf eine sehr billige Art." Der Autor dunkler Kinderbücher und von Geschichten für Erwachsene riet auch zur Selbstzensur. "In einer zivilisierten Welt haben wir alle die moralische Pflicht, unsere eigene Arbeit einem Mindestmaß an Zensur zu unterziehen, um das Prinzip der freien Rede zu stärken."

Während er das Todesurteil grässlich nannte, stimmte John le Carré zu. "Ich denke, es steht niemandem von uns zu, großen Religionen gegenüber anmaßend zu sein, ohne dass das Folgen hat", sagte der Spionage-Thriller-Autor der "New York Times" im Mai 1989. "Es ist mir ein Rätsel, dass er nicht gesagt hat: 'Das alles ist ein Chaos. Mein Buch wurde furchtbar missverstanden, aber weil Menschen deshalb umkommen, schlage ich vor, es zurückzuziehen.'" Le Carré führte das weiter aus in einer Rushdie-Biografie von W. J. Weatherby. Zu einer Zeit, als führende amerikanische Buchladenketten sich weigerten, das Buch auszulegen aus Rücksicht auf die Sicherheit ihrer Angestellten, habe es "wieder und wieder in seiner Macht gelegen, seinen Verlegern zu ermöglichen, ihr Gesicht zu wahren und, würdevoll, sein Buch zurückzuziehen, bis ruhigere Zeiten kommen", sagte le Carré. "Mir scheint, es geht nicht mehr darum, dass er etwas zu beweisen hat – außer seine eigene Unsensibilität."

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