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Meinung: Lkw-Maut: Mehr Kraft wagen

Manchmal hat der Fortschritt horrende Kosten: Nur wenige bestreiten, dass die geplante Ost-Erweiterung der EU auf Dauer den Wohlstand der Deutschen mehrt. Aber je durchlässiger die Grenzen werden und je mehr Menschen und Güter sich auf die Reise machen, umso brutaler werden die Bewohner des Transitlands Deutschland unter der Verkehrsbelastung leiden - um zwei Drittel soll sie in den kommenden 15 Jahren zunehmen.

Manchmal hat der Fortschritt horrende Kosten: Nur wenige bestreiten, dass die geplante Ost-Erweiterung der EU auf Dauer den Wohlstand der Deutschen mehrt. Aber je durchlässiger die Grenzen werden und je mehr Menschen und Güter sich auf die Reise machen, umso brutaler werden die Bewohner des Transitlands Deutschland unter der Verkehrsbelastung leiden - um zwei Drittel soll sie in den kommenden 15 Jahren zunehmen. Stinkende und lärmende Lastwagenkolonnen verstopfen dann die Durchgangsstraßen. Wer in ihrer Nähe wohnt, sie als Autofahrer benutzen und als Steuerzahler finanzieren muss, zahlt einen hohen Preis.

Vor diesem Horrorszenario, das als sehr wahrscheinlich gilt, kann eine Regierung mit ökologischem Anspruch die Augen nicht verschließen. Immerhin hat sich die rot-grüne Koalition bei ihrem Amtsantritt vor drei Jahren ausdrücklich vorgenommen, den Verkehr möglichst umweltverträglich zu gestalten. Eines der damals gegebenen Versprechen hat Kurt Bodewig, übrigens schon der dritte Verkehrsminister dieser Regierung, mit der Kabinettsentscheidung vom Mittwoch eingelöst: Vom Jahr 2003 an sollen Lastkraftwagen auf deutschen Autobahnen (und notfalls auch auf ausgewählten Bundesstraßen) eine entfernungs- und schadstoffabhängige Maut zahlen.

Der bislang wichtigste verkehrspolitische Beschluss der Koalition garantiert noch nicht, dass Transportunternehmer künftig lieber auf die Schiene oder auf Wasserwege ausweichen. Doch wird die neue Maut zumindest die Anbieter aus dem Osten treffen. Aus eigenem Antrieb wird keine polnische oder tschechische Spedition ein umweltverträgliches Verkehrsmittel nutzen oder den Schadstoffausstoß der eigenen Flotte vermindern. Denn fortgeschrittene Technologie ist teuer, und auf dem freien Markt schlägt ein Unternehmen mit niedrigen Lohn- und Sozialkosten fast jeden deutschen Anbieter aus dem Feld. Trotzdem klagen kurzsichtige deutsche Spediteure nun laut über Wettbewerbsverzerrungen. Aber Bodewigs Argument ist stichhaltig: Die Chancen des heimischen Transportgewerbes steigen, wenn die Nutzer aus Billiglohn-Ländern sich ebenfalls an der Finanzierung von Verkehrswegen beteiligen müssen.

Technisch wird die Lkw-Maut, so sich das Projekt wunschgemäß realisieren lässt, eine Pionierleistung: Noch kein anderes Land hat ein solches automatisches System zur Erfassung und Abrechnung von Verkehrsleistung vorgestellt. Vom Grundgedanken her aber entspricht das Verfahren Regelungen, wie sie viele andere Länder längst praktizieren.

Beim Lkw-Verkehr hat sich die Koalition also endlich entschlossen, gegen den Widerstand wirtschaftlicher Interessengruppen neue Regelungen durchzusetzen - wenn sie sich bei der Höhe der Maut auch bewusst noch Entscheidungsraum offen lässt. In den kommenden Monaten muss die Regierung entscheiden, ob sie auch den politischen Willen aufbringt, der Bahn Vorgaben zu machen. Als alleiniger Anteilseigner der Aktiengesellschaft kann sie das. Vielleicht ist Kurt Bodewig, der noch kein Jahr im Amt ist, mit diesem Kraftakt überfordert. Dann müssen eben stärkere Gewichte in der Koalition dafür sorgen, dass die Schiene wettbewerbsfähiger und attraktiver wird.

Bodewig nennt die Maut-Entscheidung einen wichtigen Baustein der anstehenden Verkehrsreform. Das heißt auch: Die Hauptarbeit bei der selbstgestellten Aufgabe, mehr Verkehr auf die Schiene und auf Wasserstraßen zu verlagern, muss diese Koalition also noch leisten. Gute Fahrt!

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