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Meinung: Lob des Wettbewerbs

Von Albert Funk Unverhofft hat Pisa die Föderalismus-Debatte belebt. Der Bildungsföderalismus habe versagt, heißt es.

Von Albert Funk

Unverhofft hat Pisa die Föderalismus-Debatte belebt. Der Bildungsföderalismus habe versagt, heißt es. Kanzler Schröder propagiert ein Rahmengesetz des Bundes für das Schulwesen, wohl wissend, dass das Grundgesetz das nicht vorsieht. Renate Künast fordert mehr Zentralismus beim Verbraucherschutz. Cem Özdemir prangert im Streit um Kampfhunde Kleinstaaterei an. Gegen den Provinzfürsten Edmund Stoiber kämpft Rot-Grün fürs Zentrale und Nationale.

Dabei ist Pisa ein Argument für den Föderalismus. Wo stände Deutschland, wenn es vor 20, 30 Jahren ein Bundesgesetz für die Schulen gegeben hätte? Vermutlich noch weiter hinten. Nach aller Erfahrung führen solche Gesetze zu einer Nivellierung von Unterschieden, zum Mittelmaß. Wie man es besser macht, lernt man aus der Vielfalt, aus dem Wettbewerb. Rot-Grün sagt: von Finnland – und fordert nicht etwa, die Schulpolitik in der EU-Kommission zu zentralisieren, weil die Unterschiede zwischen Turku (Finnland) und Faro (Portugal) so groß sind.

Die Analyse der Unterschiede kann denen helfen, die schlechter abschneiden. Dazu bedarf es nicht nationaler Fachräte, Enquete-Kommissionen oder neuer Gremien der Kultusministerkonferenz. Dieser Aktionismus ist typisch für eine politische Kultur, in der Parlamente wenig und Expertenrunden viel gelten. Die zuständigen Einrichtungen gibt es schon: die Landtage. Die Abgeordneten dort müssen sich umschauen und über neue Gesetze debattieren, die das Schulwesen ihres Landes verbessern. Wer hindert den Landtag in Sachsen-Anhalt oder Niedersachsen daran, von Bayern, Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein zu lernen? Wer hindert die Opposition in München oder Stuttgart daran, die selbstgefälligen Regierungen dort mit Vorschlägen herauszufordern, was aus den Pisa-Ergebnissen in Finnland oder Großbritannien zu lernen sei?

Die neue Liebe zum Zentralismus ist eine Abkehr von der Föderalismusreform. Als unstrittig galt bisher, man müsse den Ländern wieder mehr Eigenständigkeit geben, die Verflechtung zwischen Bund und Ländern entwirren und das etwas zu üppige Mitbestimmungsrecht des Bundesrats beschneiden.

Nun ist vom Gegenteil die Rede. Ein machtloser Bund, eingezwängt zwischen Europa und den Ländern? Nein, den Machtkampf auf den meisten Feldern der konkurrierenden Gesetzgebung hat der Bund gewonnen. Die Länder haben ihren Kompetenzverlust fast widerstandslos hingenommen. Erstens wurde er ihnen durch Geld versüßt; doch das Gewebe der Mischfinanzierungen und Gemeinschaftsaufgaben, das einmal als der Weisheit letzter Schluss galt, hat sich nicht bewährt. Zweitens haben die Länder zum Ausgleich die Mitwirkung an Bundesgesetzen über den Bundesrat ausgedehnt. 60 Prozent dieser Gesetze sind mittlerweile zustimmungspflichtig – eindeutig zu viel. Das Mitspracherecht in der Außenpolitik ist absurd.

Man müsste den Ländern Kompetenzen zurückgeben und die Macht des Bundesrats beschneiden. Die Kritiker verlangen das Umgekehrte. Wer von den Ländern mehr Selbstbeschränkung verlangt, sollte ihnen in der Selbstbeschränkung auch mehr erlauben.

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