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Meinung: Löhne und Gehälter: Grüne Überdosis

So verwundert darf man sich Axel Schulz vorstellen - wenn der Profiboxer den Gegner mal richtig fest gehauen hätte: Oops! Ich kann ja wehtun, wenn ich es drauf anlege.

So verwundert darf man sich Axel Schulz vorstellen - wenn der Profiboxer den Gegner mal richtig fest gehauen hätte: Oops! Ich kann ja wehtun, wenn ich es drauf anlege. Nun haben die Grünen nicht den politischen Gegner getroffen, sondern den sozialdemokratischen Partner. Die Vorsitzende Renate Künast mahnte Kanzler Schröder, er könne im eigenen Laden nicht allein bestimmen und für einen straffällig gewordenen Minister die Maßstäbe der politischen Moral außer Kraft setzen. Ihr Kompagnon Fritz Kuhn monierte, es reiche nicht, die grüne Gesundheitsministerin ab und an mit paternalistisch herablassender Fürsorge zu bedenken; Andrea Fischer brauche Erfolge.

Im Boxring pflegt der Gegner die Wirkung eines Treffers herunterzuspielen. Schröder übertrieb den Schmerz - wie es nur bei einem Tiefschlag üblich ist. Das aber war Künasts Provokation nicht. Und selbst wenn: Der Kanzler hat den Partner weit häufiger unter der Gürtellinie traktiert. Etwa mit der Ankündigung, die Grünen seien der Kellner, die SPD der Koch, der bestimme, was auf den Tisch kommt. Oder mit dem Hinweis, die Koalition brauche weniger Trittin und mehr Fischer. Abgesehen vom unvermeindlichen Ballyhoo um den Atomausstieg ist der Umweltminister inzwischen ebenso perfekt angezogen und politisch korrekt wie der Kollege im Außenamt. Die Ironie der Geschichte will es, dass des Kanzlers Lieblings-Grüner Fischer die Installation des neuen Aufmupf-Duos an der Parteispitze betrieben hat. Was Schröder aktuell mit dem Koalitionspartner erlebt, ist also: mehr Fischer.

Nur ein starker Partner ist ein verlässlicher Partner - eine Losung aus dem kleinen schwarzen Büchlein des großen Vorsitzenden Helmut Kohl. Der ließ in seinen guten Zeiten der FDP Platz zur Profilierung. Das Beispiel zeigt allerdings auch: Der Kleine muss seine Profilierungsbemühungen wohl dosieren. Schröders Aufschrei war eine Warnung. Die Grünen müssen lernen, mit ihrer neuen Stärke maßvoll umzugehen. Nutzen müssen sie sie doch. Das weiß keiner besser als Joschka Fischer. Die grüne Fraktionsführung kritisierte die neue Kraftmeierei leise, vom "heimlichen Vorsitzenden" heißt es, er habe Gefallen daran. Selbstverständlich weiß Fischer auch: Zum Erfolg führen Kooperationswille und dessen Ergebnisse - nicht die Profilierung zu Lasten des Partners. Zum Beginn seiner Karriere als Realpolitiker hat er in Hessen erlebt, wie der Virus gegenseitiger Abneigung eine Koalition beendete. Die Erinnerung an den eigenen Dilletantismus als Turnschuhminister macht ihn heute so unduldsam mit der Unfähigkeit anderer.

Wenn die Grünen nun an die Feinjustierung gehen, hilft ein Seitenblick auf ihren Rivalen um den dritten Platz im Parteiensystem: von der (häufig) intelligenten Provokation eines Guido Westerwelle ist der Weg nicht weit zur Rummel-Nummer à la Möllemann. Der mag in Nordrhein-Westfalen Erfolge feiern - als Vorbild für eine seriöse Regierungspartei im Bund taugen sie nicht. Einen Kanzlerkandidaten zum Beispiel brauchen die Grünen so wenig wie die FDP.

Thomas Kröter

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