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Londons Bürgermeister Boris Johnson.

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Londons Bürgermeister: Boris Johnson: „Ehrgeiz, harte Arbeit und Wettbewerb“

Als Boris Johnson fünf Minuten lang im Victoria Park am Drahtseil baumelte, weil die Tyrolienne steckenblieb – in jeder Hand ein Union-Jack-Fähnchen wie der böse Ludwig im Struwwelpeter, bevor er ins Tintenfass gesteckt wird –, stieg seine Popularität auf einen neuen Höhepunkt. Für jeden anderen Politiker hätte das Missgeschick symbolisch den Karriereknick markiert.

Als Boris Johnson fünf Minuten lang im Victoria Park am Drahtseil baumelte, weil die Tyrolienne steckenblieb – in jeder Hand ein Union-Jack-Fähnchen wie der böse Ludwig im Struwwelpeter, bevor er ins Tintenfass gesteckt wird –, stieg seine Popularität auf einen neuen Höhepunkt. Für jeden anderen Politiker hätte das Missgeschick symbolisch den Karriereknick markiert. Aber für Boris, den Kamikazepolitiker, gelten die Gesetze der politischen Schwerkraft nicht.

Londons Bürgermeister badet im Goldregen von Medaillen, der über die Briten herunterprasselt, und im allgemeinen Wohlbefinden. Mit schmetternden Reden und ungetrübtem Optimismus ignorierte er die Stänkerer und wurde Mr. Olympia. Der blonde Chaot, der hinter den Kulissen eminent fleißig und von ungestilltem Ehrgeiz getrieben ist, versteht wie kein anderer den Mix der postmodernen politischen Kultur, in dem sich urbane Liberalität und Erzkonservatismus bestens vertragen. Er ist als Gesicht des multikulturellen, gelassenen Londons ebenso glaubwürdig wie als Fackelträger thatcheristischer Grundwerte. Die Spiele, schrieb er, seien eine „dramatische Lektion in den Tugenden von Ehrgeiz, harter Arbeit, Wettbewerb“ – also das genaue Gegenteil von Labours „Something-for-nothing“-Kultur, womit er üppige Sozialleistungen, leichten Kredit und steigende Schulden meint.

Olympia hat Boris zum Gegenkönig gemacht, aufs Schild gehoben von Graswurzelkonservativen, die mit Premier David Cameron unzufrieden sind. As nächstes plant Boris eine Werbereise für London. Soll Cameron sich mit seiner Koalition herumschlagen. Boris wird in sicherer Entfernung seine und Londons Werbekraft in Milliardengeschäfte für die Stadt ummünzen.

Und dann? Umfragen stellen Johnson als Retter der Konservativen hin. Wäre er statt Cameron Parteichef, wäre der Vorsprung von Labourchef Ed Miliband praktisch ausgelöscht. Sollte Premier Cameron nicht rechtzeitig vor der nächsten Wahl noch den wundersamen Aufstieg aus dem Meinungstief schaffen, träumen Konservative von einer Einwechslung des Bürgermeisters in letzter Minute.

Das alles sind nicht viel mehr als Tagträumereien frustrierter Torys. Aber sie verfehlen ihre Wirkung auf Premier Cameron nicht. Nach der Sommerpause will er seine liberaldemokratischen Koalitionspartner härter anpacken und mit wirklich konservativer Wirtschaftspolitik das Land aus dem Wachstumstief holen. Matthias Thibaut

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