zum Hauptinhalt

Lufthansa AG: Emanzipiert von Vater Staat

Die massiven Streiks der Lufthansa-Flugbegleiter machen deutlich: Das Traditionsunternehmen steckt in der Krise. Ohne Kompromisse beider Seiten kann es aber nicht weitergehen.

Bundespost, Bundesbahn, Lufthansa. Nur die letztgenannte Institution durfte ihren Namen behalten, nachdem der Bund vor 18 Jahren die Aktienmehrheit verkaufte. Drei Jahre später trennte er sich ganz. Der Staat verkaufte den Markennamen seiner Fluglinie mit, denn der war ein Wert an sich. Er transportierte Sicherheit, Tradition, Solidität, schaffte Vertrauen bei Kunden und Belegschaft. Anders als bei den einstigen Volksdienstleistern Post und Bahn, hat der Name Lufthansa bis heute etwas Elitäres. Stewardessen und Piloten pflegen ihr Image als informelle Repräsentanten der Bundesrepublik. Noch heute werden Kranich-Flieger auf die Namen deutscher Städte und Länder getauft.

So hat der Markenname seinen Eigentümern und Mitarbeitern über die Jahre viel Glück und Selbstbewusstsein gegeben. Doch spätestens mit den Streiks der Flugbegleiter in diesen Tagen dürfte auch den letzten Lufthanseaten, wie sich die 119.000 Angestellten des Konzerns selbst nennen, bewusst werden: Diese Lufthansa von einst gibt es nicht mehr.

Nicht, dass die Gesellschaft sicherheitstechnisch nachlässig geworden wäre oder gar weniger Flugziele anböte als vor der Vollprivatisierung 1997. Dort wurde nicht gespart. Der Vorstand unter Christoph Franz vermittelt den Mitarbeitern aber, dass sie eben auch nur Angestellte, Arbeiter, Nummern und Kostenfaktoren in einem Geschäftsbericht sind. So wie ehemalige Postbeamte am Schalter der privaten Postbank neben Briefmarken auch Stromtarife und Riester-Verträge verkaufen, fürchten Lufthansa-Stewardessen nun, sie würden bald wie Ryanair-Kolleginnen zu Rubbellose anpreisenden Animateurinnen degradiert. Das kränkt.

Video: Bundesweite Streiks am Freitag

Nur wenige ehemalige Staatsairlines fliegen Gewinne ein. Der Vorstand der Lufthansa AG steht also unter Druck, die Kosten zu senken. Andernfalls werden mehr und mehr Anleger die Aktie verkaufen, die Lufthansa würde an der Börse noch billiger und damit am Ende zum Ziel einer Übername – durch eine Petrodollar-Airline vom Golf, einen chinesischen Staatsfonds vielleicht? Noch könnte der Bund so eine Komplettübernahme mit ein paar juristischen Tricks vereiteln. Aber will und soll er das überhaupt? Kein Lufthanseat sollte sich darauf verlassen, dass diese Bundesregierung sich aus nostalgischen Gründen weiter schützend vor die Lufthansa stellt.

Privilegien alter Tage

Es scheint, als hätten sich die meisten Mitarbeiter der Deutschen Bahn emotional schon besser von Vater Staat emanzipiert als viele Lufthanseaten – obwohl die Bahn dem Bund noch komplett gehört. Das ist das Ergebnis von zehn Jahren unter Sanierer Hartmut Mehdorn, der ironischerweise heute Chef des Lufthansa- Konkurrenten Air Berlin ist. Er trimmte die Bahn zur Börsenreife, lehrte die Mitarbeiter, dass sie keine Staats-, sondern Kunden-Diener sein sollen.

Und dann? Viele Reisende empfinden Zugtickets nun als zu teuer. Dafür braucht die auf der Schiene fast konkurrenzlose Deutsche Bahn aber keine Zuschüsse mehr vom Staat, sondern überweist ihm Geld. Wenn Lufthansa-Kunden dagegen für 49 Euro von Berlin nach Rom fliegen können, ist das objektiv günstig, aber nicht kostendeckend. Lufthansa muss solche Kampfpreise anbieten, um gegen Air Berlin, Ryanair, Easyjet, Emirates und andere zu bestehen.

Fotostrecke: Lufthansa-Personal protestiert

Allein diese so unterschiedlichen Geschichtsverläufe bei Bahn und Lufthansa widerlegen also die weitverbreitete Annahme, Staatsunternehmen würden Dienstleitungen günstiger anbieten als Privatfirmen. Die Frage, ob Staat oder Privateigentümer besser wirtschaften, ist längst überholt. Was heute leider nur noch zählt, ist das Marktumfeld.

Vor dem Hintergrund kann es nur Verlierer geben, wenn der Tarifkonflikt zwischen Lufthansa und der Gewerkschaft Ufo in einem weiteren Streik eskaliert. Die Lufthanseaten müssen sich von einigen Privilegien alter Tage verabschieden, also in Maßen auch flexiblere Beschäftigungsformen zulassen. Tun sie es nicht, kann die Lufthansa kaum überleben.

Der Lufthansa-Vorstand muss zugleich aufpassen, dass er die wertvolle Marke, die der Staat ihm einst mitgab, schützt. Niedriglöhner im Kranich-Konzern? Auch das würde nicht lange gut gehen.

Zur Startseite