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Meinung: Luftnummer Lebensversicherung

„Sicherheit auf Zeit“ vom 4. Mai Die deutsche Lebensversicherung – und zwar sowohl das Produkt Lebensversicherung in seiner traditionellen, kapitalbildenden Form wie auch die Branche insgesamt – befindet sich erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik in einer schweren Krise.

„Sicherheit auf Zeit“ vom 4. Mai

Die deutsche Lebensversicherung – und zwar sowohl das Produkt Lebensversicherung in seiner traditionellen, kapitalbildenden Form wie auch die Branche insgesamt – befindet sich erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik in einer schweren Krise. Dass man über neue Garantieformen nachdenken muss, ist eine Folge dieser Krise, aber keinesfalls deren Lösung. Die größte aktuelle Herausforderung ist das Niedrigzinsumfeld in Kombination mit den hohen Garantiezinsen früherer, aber noch substanziell in den aktuellen Beständen vorhandener Tarife. Dies wird dadurch verschärft, dass die Versicherer in den vergangenen Jahren ihr Aktienengagement massiv abgebaut haben – die (zu) niedrigen Erträge der einen Anlageklasse können nicht durch hohe Erträge aus anderen kompensiert werden.

Die niedrigen Zinsen führen weiterhin dazu, dass die festverzinslichen Wertpapiere, die das Gros der Kapitalanlagen ausmachen, hohe Bewertungsreserven aufgebaut haben. Durch die ebenso unselige wie unsägliche Vorschrift im Versicherungsvertragsgesetz von 2008, dass ausscheidende Versicherungsnehmer mit 50 Prozent an den Bewertungsreserven zu beteiligen sind, müssen bei derzeit auslaufenden Verträgen hohe Beträge ausgeschüttet werden, die nur auf dem Papier vorhanden sind – bei Ablauf des Papiers lösen sich die Bewertungsreserven nämlich „in Luft auf“. Weiter: Die traditionelle Lebensversicherung ist ein „revolvierendes System“ – die Kosten für das Neugeschäft werden durch die Altbestände (vor-)finanziert. Dieses Prinzip wurde 1995 beim Übergang vom streng regulierten Markt auf den deregulierten europäischen Binnenmarkt durchbrochen, und es wurde unterlassen, früh- bzw. rechtzeitig mit der Aufsichtsbehörde (früher BAV, jetzt Bafin) eine Übergangslösung herbeizuführen. Die seit 1995 aufgebauten Bestände leiden bis heute unter diesem fatalen Versäumnis. Nimmt man noch einige andere Faktoren hinzu wie z. B. die Probleme der Vertriebe, sich von der „guten, alten Zeit“, als Lebensversicherungen sich „wie geschnitten Brot“ verkauften, auf die komplizierte, anspruchsvollere Gegenwart umzustellen, dann erkennt man, dass die Situation der Lebensversicherung in der Tat keinen Anlass zum Jubeln bietet. Und man sollte gerechterweise erwähnen, dass es sich bei den genannten Ursachen ganz überwiegend keinesfalls um „hausgemachte“ Probleme handelt.

W.-R. Heilmann, Berlin-Schöneberg

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