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Sperren für mehr Sicherheit? Beispielsweise in der Paris wird der Zugang zur Metro durch automatische Sperren geregelt.

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BVG-Chefin Nikutta: Machen Sperren unsere U-Bahnhöfe sicherer?

Tagesspiegel-Leser Friedrich Zimmermann wünscht sich New Yorker Sicherheit für Berlins U-Bahnen. Sigrid Nikutta, Vorsitzende des Vorstandes der BVG, erklärt, warum das kein leichtes Unterfangen ist.

„Alles sperren, alles öffnen“ vom 8. Juni

Für die BVG-Kunden, die in den letzten Monaten krankenhausreif geprügelt wurden, ist der Hinweis der Verantwortlichen auf die Statistik verfolgter Straftaten reinster Zynismus. Jedes Opfer ist zu viel. Im Senat freut man sich darüber, dass immer mehr Touristen die Stadt Berlin besuchen und in einem Atemzug mit London, Paris und New York nennen. Den Politikern gehen die Vergleiche runter wie Öl. Nur spricht es sich inzwischen aber herum, dass die Berliner U-Bahnhöfe so unsicher sind wie die New Yorker U-Bahn bis Ende der 80er Jahre. Die Fahrt mit der NYCity Subway war damals ein Sicherheitsrisiko. Heute fahren selbst Besucher New Yorks gern mit dem schnellsten Verkehrsmittel der Stadt.

Heute wird die Zugangskontrolle auf den Berliner U-Bahnhöfen wieder nur von dem Standpunkt betrachtet, wie man die Zahl der Schwarzfahrer senken könne. In der Debatte, wo es um unsere Sicherheit auf den Bahnhöfen geht, ist die steigende Zahl bezahlter Fahrscheine ein wichtiger Nebeneffekt. Wahrscheinlich rechnet uns jetzt ein Bürokrat vor, was ein solcher Umbau mit Sicherheitsschleusen kosten wird. Und die Statistiker rechnen uns wieder vor, dass die Wirkung minimal sei. Dann sollte man diesen Bedenkenträgern für ein paar Wochen die Dienstwagen wegnehmen und sie mit der U-Bahn fahren lassen. So erfahren sie, wie die Gefahr objektiv gesunken ist, aber dennoch auf den 173 Berliner U-Bahnhöfen das Gefühl der Gefahr subjektiv steigt.

Berlins U-Bahnen brauchen seit 1910 und 1990 nicht nur neue Gleise, sondern auch neue Sicherheitskonzepte. Mit neuem Personal kann das jahrelange Kaputtsparen im Dienstleistungsbereich nicht kompensiert werden. Die Idee der Grundversorgung durch Bereitstellung öffentlicher Verkehrsmittel wurde der Profitidee des Cross-Border-Leasing (48 Prozent der U-Bahnen gehören einem US-Investor) geopfert. Grundsätzlich muss der Fahrgast wieder in den Mittelpunkt der Konzepte gerückt werden, nicht der Profit. Die Zahl der Nutzer steigt ständig. Bei der BVG schlägt die Stunde der Wahrheit.

Friedrich Zimmermann, Berlin-Mitte

Sigrid Evelyn Nikutta, Versitzende des Vorstandes der BVG
Sigrid Evelyn Nikutta, Versitzende des Vorstandes der BVG

© Thilo Rückeis

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

am besten fange ich damit an, wo ich mit Ihnen 100%ig übereinstimme: Ja, der Fahrgast muss immer im Mittelpunkt aller Überlegungen eines Verkehrsunternehmen stehen – sei es zum Thema Sicherheit, Service oder bei Investitionen in Anlagen und Fahrzeuge. Und auch wenn es eine Tatsache ist, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen auf einem U-Bahnhof etwas passiert, wirklich sehr gering ist, gebe ich Ihnen recht: Wem es widerfährt, ist die Prozentzahl herzlich egal! Ja, auch in Berlin wurde schon in der Vergangenheit über Zugangssperren nachgedacht. In dem mehr als hundertjährigen Bestehen der U-Bahn sogar schon mehrere Male.

Aber genau hier liegt das Problem: Unsere U-Bahn ist vor mehr als hundert Jahren ursprünglich als Hochbahn geplant worden, aber dann bis auf die bekannten Ausnahmen doch unter der Erde gebaut worden. Und da unsere Stadt auf Wasser und Sand gebaut ist, liegt sie anders als z.B. die Moskauer oder Pariser U-Bahn auch nur wenige Meter unter dem Straßenland. Zugangssperren waren zu keinem Zeitpunkt vorgesehen, und so wurden dann auch die später entstandenen Linien ohne solche gebaut. Das umreißt in kurzen Sätzen unsere heutige Situation. Viele der damaligen Bahnhöfe würde man heute ganz anders bauen. Offener, übersichtlicher und vor allem zugänglicher, gerade auch für Menschen mit Behinderungen. Wir investieren heute Millionen, um das Ziel der Barrierefreiheit mittelfristig zu erreichen und selbst bei über 100 Jahre alten Stationen Aufzüge einzubauen. Das ist teilweise richtig kompliziert – und kostenaufwendig –, aber wir planen, dass bis spätestens 2020 die Berliner U-Bahn barrierefrei sein wird.

Nun werden Sie sagen, wenn man nachträglich Aufzüge einbauen kann, muss das auch mit Zugangssperren gehen. Sehe ich auch so, und wenn man damit die U-Bahn 100%ig sicher machen kann und auch keine Schwarzfahrer mehr hätte, würden sich die vermutlich im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich liegenden Investitionen auch lohnen. Nur hatten die meisten der für Übergriffe verantwortlichen und dank unserer Videokameras gefassten Täter einen Fahrschein, hätten also jeden Sperrbereich ohne Probleme durchquert. Und auch Unternehmen mit geschlossenen Systemen klagen über Schwarzfahrer, weil alle Sperren, auch die in London und Paris, so gebaut sein müssen, dass man sie im Notfall auch öffnen bzw. überwinden kann.

Aber da man sich das alles am besten mit eigenen Augen ansieht, bin ich zum Ende dieses Monats zu Gast bei der Londoner U-Bahn und werde mir die berühmte Tube, die über ein geschlossenes Zugangssystem verfügt, ansehen und mich mit meinen dortigen Kollegen über Vor- und Nachteile, über Personal- und Kostenaufwand und natürlich auch über Sicherheit und Schwarzfahren austauschen. Ach, noch ein wichtiger Hinweis für Sie. Alle U-Bahnzüge, Straßenbahnen und Busse, die hier in Berlin im ÖPNV fahren, gehören selbstverständlich der BVG und damit dem Land Berlin – und nicht irgendeinem US-Investor, wie Sie irrtümlich glauben.

 Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, Vorsitzende des Vorstandes der BVG

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