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Konkurrieren um den Posten des Berliner SPD-Chefs: Jan Stöß und Amtsinhaber Michael Müller

© dapd

Machtkampf in Berliner SPD: Lasst die Basis entscheiden, Genossen!

Mehr innerparteiliche Demokratie und Kommunikation, und zwar nicht nur über Facebook und Twitter - daran wird die SPD nicht vorbeikommen. Die Berliner Landespartei könnte das Modell dazu liefern.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Mit uns zieht die neue Zeit! Das alte Lied der Arbeiterjugend wird in der SPD nicht mehr so oft gesungen. Vielleicht mal wieder im nächsten Jahr, wenn die alte Tante Sozialdemokratie ihren 150. Geburtstag feiert. Aber vieles deutet darauf hin, dass die Genossen auch ohne Gesang ins Grübeln kommen, was die neue Zeit für die SPD bedeuten könnte. Zum Beispiel: mehr innerparteiliche Demokratie und Kommunikation, und zwar nicht nur über Facebook und Twitter. Es geht um die direkte Beteiligung der Parteibasis an strategischen und Personalentscheidungen.

Das ist der allgemeine Trend, den auch die deutsche Sozialdemokratie nicht ignorieren kann. Sie wird mitmachen müssen, nicht nur wegen der Piraten. Es war kein Zufall, dass auf dem SPD-Bundesparteitag vor einem halben Jahr neue Formen der innerparteilichen Demokratie beschlossen wurden. Die Funktionäre und Parteitagsdelegierten, aber auch das Fußvolk soll künftig über Spitzenkandidaten, Mandatsträger und Vorstände abstimmen dürfen.

Sehen Sie hier eine Bildergalerie zur 100-Tage-Bilanz des rot-schwarzen-Senats:

Dem Parteichef Sigmar Gabriel gefällt das gut, denn ein internes Plebiszit könnte seinen Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur neuen Auftrieb geben. Auch die Berliner Genossen, jedenfalls ein Teil von ihnen, bemühen sich jetzt darum, den mit allen Tricks geführten Streit um die Führung des SPD-Landesverbands auf eine andere Ebene zu hieven. Die einfachen Mitglieder sind, je nach Temperament, resigniert, zornig oder irritiert. Das Parteivolk will nicht nur zuschauen, wie sich die Funktionsträger ineinander verhaken, wie sich die bisher mächtige SPD-Linke spaltet und die rechten Parteiströmungen anbiedern, um neue Mehrheiten gegen das Establishment um den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und dessen Vertrauten Michael Müller zu organisieren – mit ungewissem Ausgang für die angeblich ewige Regierungspartei.

Aufbegehren der Basis war nur eine Frage der Zeit

So war es nur eine Frage der Zeit, dass die Berliner SPD-Basis aufbegehrt. Und zwar jenseits der Parteinahme für den Landeschef Müller oder für den Herausforderer Jan Stöß, der die jungen, urbanen Wilden in eine bessere sozialdemokratische Zukunft führen will. Auch wenn Müller von seinen Gegnern vorgeworfen wird, dass er ein Mitgliedervotum für den nächsten Landesvorsitz nutzen will, um die eigene Mehrheit zu sichern. Denn jenseits machtstrategischer Überlegungen nagt an vielen Genossen die Angst, dass ihre Partei im allgemeinen Durcheinander eine Klippe rammen und kentern könnte.

Das Mitgliederbegehren, das in der Berliner SPD jetzt überraschend in Gang gesetzt wurde, ist – so gesehen – ein Überlebenstraining. Ein Selbsthilfekurs, aus der Not geboren. Sollte es gelingen, auf diesem nicht ganz einfachen basisdemokratischen Weg einen neuen SPD-Landeschef zu finden, könnte es sogar ein Modell für die gesamte SPD werden – und, mehr noch, für andere Parteien. Eine politische Experimentierküche war Berlin schon immer, warum nicht auch für neue Formen der innerparteilichen Demokratie?

Trotzdem will der SPD-Landesvorstand, in dem die Widersacher des potenziellen Auslaufmodells Müller die Mehrheit haben, den Zug der neuen Zeit ignorieren. Jedenfalls so lange, bis jene Genossen, die sich ihrer neuen Macht schon sicher glauben, an der Parteispitze installiert sind. Anders ist es nicht zu erklären, dass der Wahlparteitag am 9. Juni nicht vertagt wird, damit sich die Basis eine eigene Meinung bilden kann. Offenbar heiligt der Zweck momentan alle Mittel.

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