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Meinung: Machtkampf in der CDU: Auf die Nummer eins kommt es an

Anfang der neunziger Jahre wurde ein Arbeitgeberchef gefragt, warum die SPD eigentlich keine Alternative sei. Der Mann, der sich weder für Asyl noch für Auslandseinsätze oder sonstige Fragen der Regierungsfähigkeit interessierte, runzelte die Stirn und gab dann knapp zurück: Da weiß doch keiner, wer den Hut aufhat.

Anfang der neunziger Jahre wurde ein Arbeitgeberchef gefragt, warum die SPD eigentlich keine Alternative sei. Der Mann, der sich weder für Asyl noch für Auslandseinsätze oder sonstige Fragen der Regierungsfähigkeit interessierte, runzelte die Stirn und gab dann knapp zurück: Da weiß doch keiner, wer den Hut aufhat.

Wer führt die CDU? Die Frage ist formal geklärt und tatsächlich so offen, wie sie nach Rücktritt und Fall des Spitzenmannes Helmut Kohl nur sein kann. Die CDU brauchte keinen Wehner, der 1982 fünfzehn Jahre Opposition prophezeite, als die SPD noch übermütig an die baldige Rückeroberung der Macht glaubte - so wie 1999 die CDU. Sie hatte einen Ehrenvorsitzenden, der mit der Spendenaffäre eine kapitale Identitätskrise ausgelöst hat. So verlor die CDU in der Opposition den Glauben an sich selbst noch schneller als die SPD in den achtziger Jahren. In beiden Parteien kam nach einer kurzen Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens der Verlust der inneren Überzeugung, zum Regieren geboren zu sein. Doch damit enden die Parallelen.

In der SPD folgten sechzehn lange Jahre der Flügelkämpfe um Positionen und Programme, die das wechselnde Spitzenpersonal mehr oder weniger schlecht bestand. Die CDU probt hingegen einen Machtkampf pur. Nach Lage der Dinge gibt es dazu wenig Alternativen. Denn scharf konturierte innerparteiliche Flügel sind so altmodisch geworden wie die klaren Abgrenzungen und Fronten zwischen den großen Parteien und Strömungen. Man kann sie deshalb so wenig zurückwünschen wie man die Rückkehr zur Sacharbeit beschwören kann, wenn es in Wahrheit nur um die Frage geht, wer den Hut aufhat.

Leider. Denn Machtkampf pur - der ist hochgefährlich. Er kann sich an Grundfragen entzünden, wie die Interpretation der deutschen Einheit. Oder an Plakaten. Oder bei nächster Gelegenheit, wenn die Verantwortung für mäßige Wahlergebnisse zwischen Parteichefin, Generalsekretär, Fraktionsvorsitzendem und Landesfürsten verteilt werden muss. Der Plakatkampf ist noch nicht ausgestanden, da steht schon fest, wann der Gong zur nächsten Runde schlägt: Am Abend des 25. März, wenn die Wahllokale in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg schließen.

Vogel, Rau und Lafontaine kämpften in den achtziger Jahren mit unterschiedlichen Konzepten, aber gleicher Vergeblichkeit gegen die Integrationsverluste des sozialdemokratischen Lagers am grünen Rand. Engholm und Scharping schafften es in den Neunzigern nicht, die Integrationsverluste in der Mitte auszugleichen, nachdem sich die SPD den neuen politischen Milieus zugewandt hatte. Steht die CDU vor solchen Fragen? Nichts Vergleichbares ist in Sicht. Die Union hindern weder unrealistische Positionen zu Asyl oder Einwanderung an der Regierungsfähigkeit, noch unzähmbare Flügelkämpfe zwischen christlicher Arbeitnehmerschaft und Neoliberalen. Auch die Reibungsverluste im Zusammenspiel zwischen Christdemokraten und der bayerischen Schwesterpartei CSU gehen nicht über das Normalmaß hinaus. Diese Konflikte hat die Union 1999 in eine tragfähige Balance gebracht. Und es bleibt eindrucksvoll, wie schnell sie sich von der Erstarrung löst, in die sie während der überlangen Regierungszeit geraten war. Das zeigen die Beispiele Einwanderung und Familie.

Die CDU leidet unter einem neuartigen Oppositionssyndrom. Merkel, Merz, Koch, Rühe, Rüttgers kommen nicht mit Parteiflügeln und Konzepten in Präsidiums- oder Vorstandssitzungen. Sie teilen die gleichen Überzeugungen über die Ausrichtung der Politik. Die Unterscheidungsmerkmale lauten allein: Erfolg oder Misserfolg, Stärke oder Schwäche. Sie kommen nur noch mit dem Dolch im Gewande.

Die Machtdisziplin zwingt die SPD, ihren ersten Mann zu stützen, gerade bei Gegenwind: Wenn Schröder fiele, hätte er viele Mitverlierer. Die CDU unterliegt dem gegenteiligen Effekt: Jeder Gegenwind schafft neue Versuchungen, die Nummer eins in Frage zu stellen. Wenn Angela Merkel wackelt, sehen sich viele vor neuen Ufern. Es wird in der CDU aber stets die Nummer eins sein, ob sie nun Merkel oder anders heißt, die mit diesem Mechanismus rechnen muss. Das klügste wäre, Angela Merkel Zeit zu geben.

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