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Meinung: Machtprobe in der CDU: Angela Merkels Existenzfrage

Die CDU also steht am Scheideweg. Es geht um die Existenz der Union.

Die CDU also steht am Scheideweg. Es geht um die Existenz der Union. Wer so spricht, ist kein abgefeimter Parteigegner, der die CDU mit psychologischer Kriegsführung entmutigen möchte. Wer derart schrill Alarm ruft, ist die Vorsitzende der Partei selbst. Und Angela Merkel weiß, dass die Tonlage zumindest in Hinblick auf die eigene politische Existenz angemessen ist. Der Landesgruppenchef der CSU hat Wolfgang Schäuble als weiteren Kanzlerkandidaten vorgeschlagen. Das Präsidium des braven CDU-Landesverbandes in Baden-Württemberg möchte offenbar die eigene Parteichefin nicht mehr ins Rennen schicken.

Kann Angela Merkel dies alles überstehen, ein knappes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl? Und wer verfolgt welchen Plan in diesem Kampf um die Führung der Union? Sicher ist, dass Frau Merkel gar keine andere Wahl hat als diesen Versuch eines ultimativen Machtworts. Sie hält noch einen Trumpf in den Händen: Sie ist die Vorsitzende der CDU, und an ihr führt kein Weg für die Kanzlerkandidatur vorbei, es sei denn, sie gibt selbst auf, oder es kommt beim Bundesparteitag im Dezember in Dresden zu einer Neuauflage des Putsches von Mannheim. Damals drängte der frühere Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine den designierten Anwärter Rudolf Scharping mit atemraubender Rücksichtslosigkeit aus dem Parteivorsitz.

Dieses Risiko ist für Frau Merkel gering. Der einzige, der das - brutalstmöglich - könnte, ist der hessische Hoffnungsträger Roland Koch. Aber warum sollte er in diese Schlacht ziehen: Er will erst einmal die nächsten Landtagswahlen gewinnen, er möchte sich nicht im ersten, risikoreichen Anlauf gegen den Amtsinhaber Gerhard Schröder verschleißen, und die Kandidatur für die übernächste Bundestagswahl läuft ohnehin auf ihn zu. Koch darf man deswegen in dieser Situation eher zu den verlässlichen Partnern Merkels zählen.

CSU-Landesgruppenchef Michael Glos mag Schäuble tatsächlich aus eigener Initiative vorgeschlagen haben. Er ist aber erfahren und loyal genug, um berechnen zu können, dass er damit seinem Parteichef nicht schadet. Denn für eine Kandidatur von Edmund Stoiber dürfte aus dessen Sicht heute noch weniger sprechen als etwa vor einem halben Jahr. Es ist nicht nur die fernliegende Erfahrung der Niederlage von Franz Josef Strauß im Jahre 1980 und die sehr naheliegende, dass es sich in Bayern viel schöner regieren lässt als in Berlin. Stoiber hat immer behauptet, dass sich eine so vielschichtige Partei wie die CDU nicht von Außen koordinieren und führen lasse. Diese Tage belegen, dass man das manchmal nicht einmal von Innen kann. Schäuble könnte für Stoiber eben auch ein Entlastungsvorschlag sein, damit er nicht selbst als Retter der Union auserkoren wird.

Schäuble seinerseits lässt durch seine Aussagen mindestens zwei Interpretationen zu, auch wenn er damit Merkel schadet: Er traut sich die Aufgabe zu. Und er hegt gegenüber dem CDU-Präsidium und gegenüber Frau Merkel eine gehörige Portion Groll, weil er von ihnen eine klarere Unterstützung während der Spendenaffäre erwartet hätte.

Es ist noch nicht die Zeit, mit Angela Merkel ins Gericht zu gehen, zu fragen, wie hoch ihr Anteil an der Personaldiskussion ist, die natürlich auch ein Beleg für ihren Autoritätsverlust ist. Es geht erst einmal um ihre eigene Zukunft und - das hat sie nicht nur taktisch gemeint - auch um die Zukunft ihrer Partei. Denn die Wahlergebnisse von Hamburg und Berlin sind ein Menetekel für den drohenden Bedeutungsverlust der CDU, der Streit ist dabei verheerend.

Angela Merkel ist eine viel zu intelligente Analytikerin, um nicht gebenenfalls zu erkennen, dass vielleicht ein anderer der Union mehr Halt geben könnte als sie selbst - ganz egal, ob sie aus eigener Schuld oder aus Schuld von Parteifeinden abdanken müsste. Es könnte also auch sein, dass sie ihre Kandidatur in nächster Zeit für aussichtslos erklärt. Dann hätte ihr Machtwort trotzdem einen Sinn: Aus einer Position auf gleicher Augenhöhe mit ihren Konkurrenten ließe sich besser verzichten. Und vielleicht selbst den Kandidaten bestimmen, mag das diesen Herrn über die Union am Ende noch so sehr in Verlegenheit bringen.

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