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Mahmud Abbas: Abgang im Zorn

Ein Rücktritt von Palästinenserchef Abbas wäre auch eine Niederlage für Barack Obama.

So viel Konsequenz hätte man ihm gar nicht zugetraut. Wie oft hat sich Palästinenserpräsident Mahmud Abbas schon verbogen, Zugeständnisse gemacht und den Unmut des eigenen Volkes auf sich gezogen, um es sich nicht mit den Amerikanern zu verscherzen. Unter George W. Bush hat er dafür nichts zurückbekommen. Die Hoffnungen, dass dies unter Barack Obama anders sein würde, waren groß. So reiste der glücklose Präsident Ende September folgsam zum Fototermin nach Washington, obwohl er geschworen hatte, sich erst wieder mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu zu treffen, wenn es einen Siedlungsstopp und weitere Voraussetzungen für Verhandlungen geben sollte.

Ebenfalls auf amerikanischen Druck hin hat Abbas zunächst eine Abstimmung im UN-Menschenrechtsrat über den Goldstone-Bericht verhindert, der Menschenrechtsverletzungen im Gaza-Krieg thematisiert. Das Ergebnis: Er musste sich von den eigenen Leuten als Verräter brandmarken lassen. Doch aus den USA kam als Dank nur das öffentliche Eingeständnis, dass man es nicht schaffe, Israel dazu zu bewegen, seinen Teil der Road Map einzuhalten, nämlich den Siedlungsbau vollständig einzufrieren.

Als Außenministerin Hillary Clinton vor Tagen Israels vagen Vorschlag, den Siedlungsbau leicht zu beschränken, als Durchbruch anpries, war für die Palästinenser klar: Auch Obama hat sich an Israel die Zähne ausgebissen und es wird keine Bewegung im Nahostkonflikt geben. Abbas’ angekündigter Abgang wäre eine logische Konsequenz aus diesem Desaster – sofern sich nicht doch noch herausstellen sollte, dass seine Rücktrittsankündigung eine Drohung ist, mit der die USA unter Druck gesetzt werden sollten.

Was bedeutet es, wenn Abbas wirklich nicht mehr zur Wahl steht? Präsident aller Palästinenser ist Abbas schon lange nicht mehr. In Gaza regiert die rivalisierende Hamas, Abbas konnte bisher keine Einigung mit den Islamisten erzielen. Auch die PLO, deren Vorsitzender Abbas ist, ist schon lange nicht mehr die alleinige Vertretung der Palästinenser , die Hamas gehört ihr nicht an. Selbst mit Abbas an der Spitze würde der Nahostkonflikt weiter vor sich hindümpeln, bis er sich eines Tages wieder in Gewalt entlädt.

Dennoch würde sein Abgang die Fatah und die Palästinenser in der Westbank in weiteres Chaos stoßen: Es gibt keinen natürlichen Nachfolger – außer dem in Israel inhaftierten Marwan Barghuti. Er hatte von der Haft aus die erste Einigung zwischen Fatah und Hamas herbeigeführt. Er könnte die Palästinenser vielleicht wieder einen – aber Druck auf die USA kann auch er nicht ausüben. Abbas’ Abgang im Zorn könnte zumindest die Letzten aufrütteln, die es noch nicht gemerkt haben: Eine Zwei-Staaten-Lösung steht nicht mehr zur Debatte.

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