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Meinung: Man muss nur verkaufen können

Von Gerd Appenzeller

Die Welt möchte betrogen werden, und wir glauben gerne an Wunder. Und wie ein Wunder war es ja auch, als Ende der 90er südeuropäische Länder, die immer eher durch weiche Währungen und wirtschaftliches Laisserfaire aufgefallen waren, plötzlich zurückgehende Inflationsraten und Geldwertstabilität meldeten. Und dieses Wunder hatte auch einen Namen: Euro hieß es, die neue Gemeinschaftswährung der EU. Bekommen durfte ihn nur, wer wenig Staatsschulden machte und eine grundsolide Wirtschafts- und Finanzpolitik trieb.

Das Wunder wirkte: Auch Italien, Portugal und Griechenland waren dabei und alle Welt rühmte die erfolgreiche Stabilitätspolitik in Rom, Lissabon und Athen. Nun wissen wir, dass zumindest im Falle Griechenlands nicht Haushaltsdisziplin, sondern, kreative Buchführung das Wunder wahr machte – und man bangt ein wenig, ob dies der einzige nationale Sündenfall vor der Euro-Einführung war. Die Griechen, deren Ruf als clevere Kaufleute legendär ist, haben die Eurokraten im fernen Brüssel schlicht und einfach über Jahre hinweg belogen, und klar ist, dass ihnen keiner mehr den Euro wegnehmen und die Drachme wieder einführen kann. Nun kann man sich damit trösten, dass es für den gesamteuropäischen Währungsverbund relativ egal ist, mit welchen Tricks das kleine Griechenland operiert. Immerhin erarbeitet es nur 1,3 Prozent des europäischen Brutto-Nationaleinkommens. Aber da inzwischen auch die Großen, die Franzosen, die Italiener und die Deutschen, auf die Stabilitätskriterien pfeifen (auch wenn sie das Gegenteil behaupten), sind die Perspektiven nicht mehr ganz so rosig.

Die Finanzminister der Eurozone, die heute in Brüssel tagen, haben die Wahl: Entweder sie pochen auf Einhaltung der Regeln, weil diese nach wie vor sinnvoll sind, oder sie schlagen deren Änderung vor, weil sie sich in der Praxis nicht bewährt haben. Aber weiter nichts zu tun und mit einem Augenzwinkern betrügen – das geht nicht.

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