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Meinung: Man sieht sich immer zweimal Von Hans Monath

Der klassische Rohrkrepierer wird in der Politik durch einige wichtige Merkmale bestimmt: Nachdem möglichst viele Zuschauer zusammengetrommelt sind, schiebt die eine Seite eine riesige Menge Pulver ins Rohr, legt auf den politischen Gegner an und verspricht mit lautem Tamtam dessen endgültige Niederlage. Dann gibt es einen großen Rumms – und statt der Attackierten liegen die Angreifer mit versengtem Haar, schmerzenden Knochen und kaputten Waffen auf dem Schlachtfeld herum.

Der klassische Rohrkrepierer wird in der Politik durch einige wichtige Merkmale bestimmt: Nachdem möglichst viele Zuschauer zusammengetrommelt sind, schiebt die eine Seite eine riesige Menge Pulver ins Rohr, legt auf den politischen Gegner an und verspricht mit lautem Tamtam dessen endgültige Niederlage. Dann gibt es einen großen Rumms – und statt der Attackierten liegen die Angreifer mit versengtem Haar, schmerzenden Knochen und kaputten Waffen auf dem Schlachtfeld herum.

Genauso ist es nun SPD und Grünen bei ihrem Versuch gegangen, den unbequemen VisaAusschuss möglichst schnell vor den Wahlen zu beerdigen. Das wollte sich die Minderheit nicht gefallen lassen und klagte vor dem Verfassungsgericht – mit Erfolg. Im Lichte der Entscheidung aus Karlsruhe klingt die rot-grüne Begründung wie Hohn, es sei doch nur darum gegangen, rechtzeitig vor den Neuwahlen den gesetzlichen Auftrag zur Fertigstellung eines Berichts zu erfüllen. Solange der Bundespräsident das Parlament nicht aufgelöst hat, muss die Beweisaufnahme weitergehen, befanden streng formal die Verfassungsrichter. Also muss auch Innenminister Otto Schily (SPD) aussagen, der bei seinem Ministerkollegen Joschka Fischer massiv gegen die Liberalisierung der Visapraxis protestierte. Weil der „eiserne Otto“ über seine Bedenken plötzlich schwieg, richten sich auch einige spannende Fragen an das Kanzleramt.

Wie beim klassischen Rohrkrepierer ist auch im Visa-Ausschuss für SPD und Grüne die Lage nach dem großen Rumms unendlich viel schwieriger als vorher: Nach der vom TV übertragenen Vernehmung Joschka Fischers war das Interesse an der zeitraubenden Detailarbeit des Gremiums eigentlich schon ziemlich erloschen. Allein Schilys Auftritt Anfang Juli hätte wieder Aufmerksamkeit garantiert. Erst der gescheiterte Auflösungs-Coup verschafft dem Visathema wieder große Schlagzeilen und taucht nebenbei die Verteidiger der rot-grünen Visapolitik in dem Gremium in ein ziemlich schlechtes Licht.

Nachdem Karlsruhe verboten hat, den Deckel über dem Ausschuss einfach zuzuschlagen, wird nun jede weitere Sitzung zur Demütigung für Rot-Grün werden. Im Gegensatz zur Opposition sei man selbst von Aufkärungswillen getrieben, hatten SPD- und Grünen-Obleute immer wieder versichert. Jeder Zuhörer, der künftig ein ähnliches Bekenntnis aus dem Mund eines Koalitionsvertreters hört, wird gegen den Eindruck kämpfen müssen, jede Silbe dieses Satzes glühe gleichsam vor Scheinheiligkeit.

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