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Szenen einer Ehe: Der Umgang mit ihrem Mann im Wahlkampf sei für sie schwer zu ertragen, hat Gertrud Steinbrück beim Parteikonvent der SPD gesagt.

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Meinung: Mann ohne Kneipe

Warum Peer Steinbrück und die SPD nicht zusammenpassen.

Vor einigen Wochen erzählte Peer Steinbrück der „Bild“, dass er nun im Berliner Arbeiterbezirk Wedding wohnt und dort häufig ins „Lindenufer“ geht. Ein Mann mit Stammkneipe, keiner mehr, der Reden für Hunderttausende von Euro hält. Doch die Gaststätte, in der sich Steinbrück, wie er sagt, häufiger mit Leuten trifft, heißt „Lindengarten“.

Peer Steinbrück löst sich auf. Er will ein Macher sein, ein Mann der Tat, kompetent und klar. Er will der sein, von dem Helmut Schmidt sagt, der kann’s. Er will die Agenda 2010 relativieren, für die er einst gekämpft hat, er will sich beim „Spiegel“ über seinen Parteichef beschweren. Er macht sich, während den Menschen das Wasser bis zum Hals steht, über den „Gummistiefelwettbewerb“ lustig, und er ist auf dem SPD-Parteitag von seiner Frau so gerührt, dass er fast in Tränen ausbricht.

Gute Politiker können Widersprüche auflösen und sogar den Eindruck erwecken, dass gerade darin ihr großes Versprechen liegt. Bei Steinbrück passen die Puzzlesteine jedoch einfach nicht zusammen: Helmut Schmidt und der linke Gewerkschafter im Kompetenzteam, der raue Wedding und der goldene Paisley-Schal, den Steinbrück gerne trägt, Härte und Empfindlichkeit. Wer Steinbrück ist, wird immer unklarer, je länger er Kandidat ist. Ein Hamburger weint, wenn sein Segelfreund vom Hai gefressen wird, nicht, wenn es ein wenig rührselig wird.

Dabei hatte der SPD-Kanzlerkandidat nach der Enthüllung als Miet-Redner schon früh im Wahlkampf jenen Punkt erreicht, an dem nichts mehr zu verlieren war. Kandidaten können dann resignieren oder, befreit vom Ballast der Erwartungen, auferstehen.

Dass der in den vergangenen Tagen eskalierte Konflikt zwischen Steinbrück und seinem Parteichef zum Weckruf für die resignative Kampagne der SPD werden könnte, ist unwahrscheinlich. Denn die Widersprüche sind so fundamental, dass sie sich in einem Wahlkampf nicht auflösen lassen. Das hat jetzt auch Helmut Schmidt erkannt, der seinen Zögling Steinbrück – in einem Akt großer Illoyalität – gerade als schlechten Wahlkämpfer bloßgestellt hat.

Die zweite Ehe: Parteichef Sigmar Gabriel (links) hat Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat zugebilligt, von ihm auch mal „in den Senkel“ gestellt zu werden.
Die zweite Ehe: Parteichef Sigmar Gabriel (links) hat Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat zugebilligt, von ihm auch mal „in den Senkel“ gestellt zu werden.

© dpa

In seinem Buch „Unterm Strich“ beschreibt Steinbrück 2010 den Politikertypus, nach dem die Menschen in Deutschland seiner Meinung nach Ausschau halten: „Er ist weder von seinen Überzeugungen her noch in seinem Auftreten ein Diener oder Sprachrohr seines Parteimilieus.“ Nun, als SPD-Kanzlerkandidat ist Steinbrück gezwungen, ein Diener seiner Partei zu sein. Seine dünnhäutige Reaktion auf Sigmar Gabriel ist Ausdruck dieser Demütigung: Er wurde gezwungen, jemand zu sein, der er nicht sein will. Dass die Partei das macht, spricht gegen die wahlkämpferische Klugheit der SPD; dass die SPD Steinbrück zwingen konnte, spricht gegen dessen politische und persönliche Stärke.

Die SPD denkt, sie brauche einen Kanzlerkandidaten mit Stammkneipe. Steinbrück hat eine, kann sich aber an den Namen nicht erinnern. Ein so widersprüchliches Team wird es gegen Angela Merkel schwer haben.

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