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Mario Monti: Programm eines Unpolitischen

Montis Selbstüberschätzung wird ihn dramatisch rasch entzaubern. Das ist schade nicht nur für Italien.

Wenn schon die mit allen Wassern gewaschenen Beobachter des komplizierten italienischen Politbetriebs ratlos sind: Was sollen wir Nordlichter erst von der Weihnachtsüberraschung des bisherigen Regierungschefs Mario Monti halten? Er geht in die Politik, aber nicht richtig, er will keinen Wahlkampf führen, aber alle, die sich hinter sein Regierungsprogramm stellen, denen steht er – eventuell – später als Premier zur Verfügung. Man ist versucht, es für einen besonders genialen Coup zu halten: „Italien erneuern“, so der Titel der „Agenda Monti“, unter Umgehung der ebenso komplizierten wie undurchsichtigen Manöver und Klientelpolitik, die in Italien den Wählerwillen womöglich öfter hintergehen als im Rest Europas. Bleibt freilich der Zweifel, dass Montis Operation einfach nur naiv sein könnte, der Masterplan jener Rechtschaffenen, aber Ahnungslosen, die man an jedem Kneipentresen findet: Warum so viel Zeit mit all dem Parteiengezänk verlieren; machen wir doch einfach ein tolles Programm, dann wird die Stimme der Vernunft schon automatisch die nötigen Stimmen im Parlament bekommen.

Dass es die eine Vernunft in der Politik nicht gibt, dafür aber, ganz legitim, viele und widersprüchliche Interessen, sollte der „Professore“ wissen. Und er hat ihnen gerade erst gedient, als er mit dem Fiat-Chef Sergio Marchionne in die Kameras lächelte, während draußen jene Gewerkschaften protestierten, die Marchionne aus dem Unternehmen geworfen hat. Auch die 24 Seiten starke „Agenda Monti“ legt Zeugnis davon ab: Auf die Halbierung des Defizits könnte sich eine überparteiliche Mehrheit vielleicht einigen, doch der Weg dahin wäre heikel – ein Blick auf Hollandes Frankreich genügt. Montis Überlegungen zur Lage der Italienerinnen am Arbeitsmarkt, in Politik und Führungspositionen sind lobenswert. Wenn er aber gleichzeitig den „welfare familiare“ besingt, die sehr italienische Rückverlegung des Sozialstaats in die Familie, gießt er die alte Frauenrolle praktisch in Zement.

Alles in allem kein Masterplan, eher die Betrachtungen eines Unpolitischen – der Politik machen will. Und den die Schmeicheleien der europäischen Kollegen und interessierter Figuren der italienischen Politik wohl dahin gebracht haben zu glauben, er könne dies besser als andere: „Wir haben Italien gemeinsam vor der Katastrophe gerettet. Jetzt wird die Politik erneuert.“ So viel Selbstüberschätzung. Sie wird Monti dramatisch rasch entzaubern. Und das ist schade nicht nur für Italien.

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