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Meinung: Mazedonien: Noch ist es ruhig - doch die Radikalen auf beiden Seiten warten nur auf die nächste Eskalation

Bisher läuft der mazedonische Friedensprozess fast reibungslos. Die albanischen Rebellen bringen ihre Waffen an die vereinbarten Sammelstellen.

Bisher läuft der mazedonische Friedensprozess fast reibungslos. Die albanischen Rebellen bringen ihre Waffen an die vereinbarten Sammelstellen. Die Nato meldet schon nach wenigen Tagen für die erste Etappe: "Auftrag erfüllt." Das Soll wird sogar übertroffen. Die Nato-Soldaten haben noch vor Ankunft der Kollegen von der Bundeswehr mehr als ein Drittel des angepeilten Waffenarsenals der Rebellen eingesammelt.

Zum Thema Dokumentation: Fischers Bundestagsrede in Auszügen. Chronologie: Auslandseinsätze der Bundeswehr Hintergrund: Die NATO-Operation "Essential Harvest" Die Aufgaben: Was die Bundeswehr in Mazedonien erwartet. Die Beteiligten: Welches Land wieviel Soldaten nach Mazedonien schickt Nach der Nato war gestern das mazedonische Parlament dran - um die politischen Zusagen an die albanische Minderheit einzulösen. Und prompt stockte der Friedensprozess in Mazedonien. Der ist eine komplizierte, verschachtelte Angelegenheit. Insgesamt dreimal sind die Nato und das Parlament wechselweise in der Pflicht - Zug um Zug. Nach jedem Drittel der Waffenernte müssen die Abgeordneten einen weiteren Schritt bei den versprochenen Verfassungsänderungen zugunsten der albanischen Minderheit machen. Spätestens drei Tage nach dem Ende der Nato-Operation muss das Parlament in Skopje in einer Schlussabstimmung das Friedenspaket mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschließen.

Der komplizierte Fahrplan mit so unterschiedlichen Akteuren macht den Friedensprozess störungsanfällig. Die Soldaten der Allianz werden zwar beim Einsammeln der Rebellenwaffen kaum auf größere Probleme stoßen. Die Schwierigkeiten liegen eher auf der Seite der slawischen Mehrheit - bei der Verabschiedung der politischen Reformen, die parallel zur Entwaffnung der Rebellen über die Bühne gehen müssen. Der Protest der kleinen Gruppe mazedonischer Nationalisten gestern vor dem Parlament illustrierte, wie schnell der Friedensprozess zum Stillstand kommen kann. Demonstrationen sind in dem kommunistisch geprägten Land selten spontan. Die mazedonische Führung kann die Demonstranten jederzeit vorschieben, wenn ihr an einer Verzögerung gelegen ist. Die Nato ist bei der Waffenernte in der Pflicht, hat aber auf den Fortschritt der politischen Reformen keinen direkten Einfluss.

Die Abgeordneten werden über kurz oder lang die durch die Proteste verhinderte Debatte doch noch beginnen. Die nationalistischen Parlamentarier werden dann mit Blick auf die Stimmung im Volk auf Obstruktion setzen. Emissäre aus Brüssel bearbeiten die mazedonischen Führer hinter den Kulissen, damit die ihre Leute im Parlament und davor unter Kontrolle behalten. Schließlich haben neben den albanischen auch die mazedonischen Parteiführer das Friedensabkommen unterzeichnet.

Bei diesem Ringen um Aussöhnung geht es auch darum, wer bei einem Scheitern den Schwarzen Peter in der Hand behält. Keine der beiden Konfliktparteien möchte alleine für das Ende des Friedensprozesses verantwortlich gemacht werden. Störaktionen wie jetzt vor dem Parlament werden sich jedoch gegen Ende der Umsetzungsphase häufen.

Die albanischen Rebellen haben ein einfacheres Spiel, da ihr Beitrag vorerst eher schmerzlos ist. Die Nato hat den Umfang des Waffenarsenals der so genannten Nationalen Befreiungsarmee (UCK) derart niedrig geschätzt, dass die Sammelaktion nur symbolische Bedeutung haben kann. Die angestrebte Auflösung der UCK wird schwieriger zu überprüfen sein. Die abgegebenen Waffen werden die Rebellen bei Bedarf ohnehin problemlos wieder ersetzen können.

Deshalb weisen Nato-Vertreter schon heute die Verantwortung für eine dauerhafte Entwaffnung von sich. Sie betonen, dass die Versöhnung im Lande von den Politikern ausgehen müsse. Wenn die gelingt, verlieren versteckte Waffen an Bedeutung. Das Misstrauen zwischen Slawen und Albanern ist allerdings unverändert groß. Die slawische Mehrheit traut der Minderheit die Integrationsbereitschaft nicht zu. Umgekehrt trauen die Albaner dem nationalistischen Innenminister nicht über den Weg. Der hat für die Zeit nach der Sammelaktion der Nato seine eigene "Ernte" angedroht.

Die Waffenernte der Nato kann die Gefahr einer neuerlichen Radikalisierung und Eskalation in Mazedonien nicht bannen. Die Scharfmacher beider Volksgruppen halten sich derzeit vor allem deshalb zurück, weil sie darauf hoffen, dass die jeweils andere Seite dem wackeligen Frieden schon noch den Todesstoß versetzen wird.

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