zum Hauptinhalt

Mehdorns Rücktritt: Harte Weichenstellung

Der Rücktritt des Bahnchefs war überfällig. Dennoch gebührt Hartmut Mehdorn zunächst einmal Respekt für eine überzeugende unternehmerische Leistung. Umso tragischer, dass sein Erfolg lange Zeit auf dem engen Schulterschluss zwischen ihm und den Gewerkschaften basierte - den er später schlichtweg ignorierte.

In den knapp zehn Jahren seiner Amtszeit hat Hartmut Mehdorn die Bahn geprägt wie kaum ein Manager vor ihm. Heute präsentiert sich das Staatsunternehmen als wirtschaftlich starker und international führender Schienenverkehrs- und Logistikdienstleister, der auch noch milliardenschwere Gewinne abwirft. Das aber hätte der Bahn bei Dienstantritt Mehdorns Ende 1999 niemand zugetraut. Zur Bilanz der Ära Mehdorn gehört aber auch, dass das für das Funktionieren eines Unternehmens unerlässliche Grundvertrauen zwischen der Unternehmensführung und den Beschäftigten durch die dem Chef zumindest zurechenbaren Massenabgleiche der Mitarbeiterdaten und E-Mail-Kontrollen so nachhaltig beschädigt wurde, dass ein Verbleib Mehdorns an der Spitze der DB AG nicht mehr zu verantworten war.

Das entbehrt nicht einer gewissen Tragik, denn Mehdorns Erfolg bei der Umstrukturierung des Unternehmens basierte lange Zeit auf einem besonders engen Schulterschluss zwischen ihm und den Bahngewerkschaften. Immerhin verband sie das gemeinsame Ziel, die DB AG auch in Zeiten der Liberalisierung als möglichst beherrschenden Konzern gegen den wachsenden Druck der Wettbewerber im Markt zu positionieren.

Zu Bruch ging dieses Bündnis, weil der machtbewusste Bahnchef bei den Datenabgleichen die Prinzipien der Mitbestimmung schlicht ignorierte. Als dann noch herauskam, dass die Bahn bei der Ausforschung des E-Mail-Verkehrs ihrer Mitarbeiter nicht einmal vor der elektronischen Post der Betriebsräte Halt machte, war das Tischtuch endgültig zerschnitten. Das darauffolgende Misstrauensvotum der Gewerkschaften aber konnte auch das Kanzleramt nicht mehr ignorieren, obwohl Angela Merkel den „Macher“ Mehdorn nur zu gern bis zur Bundestagswahl im Amt belassen hätte.

Dem ehemaligen Wirtschaftsminister Werner Müller als DB-Aufsichtsratsvorsitzenden fällt nun die Aufgabe zu, eine überzeugende Nachfolgeregelung zu finden. Einfach wird das nicht. Denn da gibt es auf der einen Seite die Begehrlichkeiten von Union und SPD, was die Besetzung des Bahn-Spitzenpostens mit einer Person ihrer jeweiligen politischen Couleur angeht. Und da gibt es die Gewerkschaften, die den Führungswechsel mit der Forderung nach einer Rückkehr zum integrierten Bahnkonzern verknüpfen, weil sie sich davon die endgültige Beerdigung der derzeit wegen der Finanzkrise nur aufgeschobenen Teilprivatisierung der Schienenverkehrs- und Logistiksparte erhoffen.

Müller sollte klug genug sein, solchen Szenarien zu widerstehen. Als international aufgestelltes großes Wirtschaftsunternehmen ist die Bahn viel zu komplex, als dass man ihre Führung der Politik überlassen könnte. Dauerhaft am Markt behaupten kann sich das Unternehmen zudem nur, wenn es sich – was die Qualität der Leistungen für die Kunden angeht – den Wettbewerbern stellt. Das aber setzt zwingend den diskriminierungsfreien Zugang der Konkurrenz zum DB-Schienennetz voraus. Da liegt das Modell einer künftig getrennten Führung der mit der Netzverwaltung betrauten DB-Holding und der DB-Verkehrs- und Logistiksparte auf der Hand. Mit der Mehdorn-Nachfolge wären dann gleich zwei Kandidaten zu betrauen – was die abschließende Meinungsfindung in der Koalition durchaus beschleunigen könnte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false