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Meinung: Mehr Hilfe – für weniger Einwanderer

Die jüdischen Gemeinden sind mit den russischen Zuwanderern überfordert Von Igal Avidan

Was schenkt man zum 40. Jahrestag? Deutschland und Israel haben am 12. Mai 1965 diplomatische Beziehungen aufgenommen. Dieser Tage plant das Innenministerium, nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar, die Aufnahme jüdischer Zuwanderer aus den GUSStaaten stark einzuschränken. Demnach sollen nur Personen unter 45 Jahren aufgenommen werden, die Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen können – und bei denen zu erwarten ist, dass sie nicht langfristig auf Sozialhilfe angewiesen sein werden und die eine mögliche Aufnahme in einer jüdische Gemeinde in Deutschland nachweisen können.

Seit 1991 wurden vorwiegend jüdische Familien aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland aufgenommen. Diese so genannten „Kontingentflüchtlinge“ erhielten einen dauerhaften Aufenthaltsstatus, Sozial- und Arbeitslosenhilfe und durften an Deutschkursen teilnehmen. Sie wurden entsprechend der Gesamtbevölkerungszahlen auf alle Bundesländer verteilt.

Aufgrund des Holocaust war der Schutz vor politischer Verfolgung und die Stärkung der schrumpfenden jüdischen Gemeinden in Deutschland berechtigt. Der Teufel steckte jedoch in den Details. Zum einen war der Begriff „Flüchtlinge“ für Israel beleidigend, denn heimatlos waren diese Zuwanderer keinesfalls. Sie konnten jeder Zeit nach Israel auswandern. Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren Tausende von Juden in die GUS-Staaten zurückgekehrt sind, kann die Judenverfolgung dort nicht mehr so virulent sein. In den vergangenen Jahren wanderten mehr GUS-Juden nach Deutschland als nach Israel ein, rund 10 000 in diesem Jahr. Darunter waren Tausende, die bereits in Israel gelebt hatten. Gleichzeitig sinkt die Einwanderung nach Israel und erreichte in diesem Jahr einen neuen Tiefststand. Kein Wunder, dass die israelische Einwanderungsbehörde, die Jewish Agency, die deutsche Einwanderungspolitik unter Beschuss nahm. Mit dem neuen Kurs trägt Deutschland dieser Kritik Rechnung. Zum einen werden Personen abgelehnt, die bereits in ein sicheres Drittland wie Israel ausgereist waren. Zum anderen muss eine Ehe mindestens drei Jahre vor der Antragstellung bestanden haben, damit Ehegatten zuzugsberechtigt sein können.

Die Neuregelung der Zuwanderung ist ein Geschenk für den Zentralrat der Juden und wird einvernehmlich mit dieser Organisation verabschiedet, wie Innenminister Otto Schily vor Heiligabend verkündete. Er wolle künftig nur Personen aufnehmen, die wirklich Schutz brauchen, sprich: nur diejenigen, die Antisemiten als Juden betrachten und daher verfolgen. Aber für die Gemeinden, auch die liberalsten, ist nur der ein Jude, der eine jüdische Mutter hat oder konvertierte. Daher wurden lediglich 80 000 der insgesamt 197 000 Kontingentflüchtlinge Gemeindemitglieder. Neuerdings ist nur jeder Fünfte davon jüdisch. Und nur zwei Dutzend konvertieren jährlich. Die nichtjüdischen Verwandten erhalten aber dennoch Zugang zu Sprachkursen und Beratungsstellen der Gemeinden – mit der Folge, dass die Gemeinden finanziell und personell völlig überfordert sind. Da die meisten Einwanderer dauerhaft Arbeitslosen- und Sozialhilfe beziehen, zahlen zum Beispiel in Berlin nur 18 Prozent der Mitglieder Gemeindesteuer.

Die Arbeitslosigkeit der jüdischen Zuwanderer ist auch Schuld der Bundesregierung, die ihnen keine Deutschkurse in der Heimat anbot, ihre beruflichen Abschlüsse nicht anerkannte und ihre Einbürgerung in die Länge zog – ganz im Gegensatz etwa zu den zwei Millionen deutschen Aussiedlern. Von dieser Gruppe waren im Jahr 2004 lediglich 55 000 arbeitslos. Dabei sind die deutschen Aussiedler jünger als die jüdischen Zuwanderer und zudem eher Handwerker als Akademiker.

Schily will bei der Neuregelung darauf achten, dass künftig „keine Personen mehr kommen, die nicht unter den geschichtlich begründeten Schutzgedanken fallen.“ Das geht nicht. Wer GUS-Juden schützen will, muss auch ihren nichtjüdischen Lebenspartnern Schutz gewähren. Angesichts der historischen Verantwortung sollte die Bundesregierung jedoch die Integration in die deutsche Gesellschaft und in das berufliche Leben kräftiger finanziell unterstützen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland muss seinerseits viel mehr unternehmen, um die Kinder von jüdischen Vätern an die Gemeinden zu binden – zum Beispiel durch unbürokratische Konversionen. Andernfalls werden diese Menschen nicht nur den Gemeinden, sondern auch dem Judentum verloren gehen.

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