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Meinung: Mehr Schutz für Kinder

Warum das Ehegattensplitting nicht mehr zeitgemäß ist

Von Robert Birnbaum

Das Gelände ist juristisch schwer vermint und ähnelt auch sonst einem Schlachtfeld aus Weltkriegstagen: Alle hocken fest im Bunker, rühren sich nicht und zielen auf alles, was sich bewegt. Wenn Rot-Grün sich an das steuerliche Ehegattensplitting wagt, darf sich die Koalition jeder Menge Gegner sicher sein. Verfassungsrechtler mahnen, berufsmäßige Retter der Ehe schlagen Alarm, Steuersystematiker schlagen die Hände zusammen. Warum die Empörung?

Ehegattensplitting heißt, dass das Einkommen von Verheirateten zusammengezählt und durch zwei geteilt wird, bevor der Fiskus seine Steuern darauf erhebt. Wegen der geringeren Progression spart das Paar Steuern. Es spart um so mehr, je unterschiedlicher die zwei Einkommen sind; verdienen beide das Gleiche, ist der Vorteil Null, verdient einer nichts, ist er maximal. Als die Regelung 1958 eingeführt wurde, diente sie der Gerechtigkeit. Bis dahin wurden die Einkommen von Eheleuten zusammengerechnet – für Doppelverdiener wurde der Trauschein also teuer. Das verstieß gegen den Grundgesetz-Schutz von Ehe und Familie. Das Splitting-Verfahren hob diese Ungleichbehandlung aber nicht nur auf, sondern verkehrte sie ins Gegenteil: Die „Hausfrauen-Ehe“ war nun steuerlich privilegiert. Das erschien seinerzeit als sachgerechte Form, die Mütter für die Arbeit der Kindererziehung zusätzlich zu honorieren.

Ist dieses Modell heute noch sachgerecht? Nein. Die alte Beinahe-Gleichung „Ehe = Familie= Vater, Mutter, Kinder“ gilt nicht mehr. Viele Paare sind kinderlos. Und da, wo Kinder sind, wollen Mütter oft trotzdem berufstätig sein. Nicht recht einzusehen ist auch, dass vom Splitting-Vorteil Großverdiener am stärksten profitieren. Kurz: Die Veränderung der Lebensformen wie der Erwerbswelt haben dazu geführt, dass vom Splitting viele Menschen profitieren, die diese staatliche Förderung weder brauchen, noch – nimmt man die ursprüngliche Idee als moralischen Maßstab – wegen ihrer Verdienste an der Gemeinschaft verdienen.

Das rot-grüne Gedankenspiel, in den oberen Einkommensgruppen den Splitting-Vorteil mindestens zu begrenzen, ist also durchaus vernünftig. Das Geld für Kita-Einrichtungen zu verwenden, ist es auch. Stückwerk bliebe diese Reform trotzdem. Die Ehe hat Anspruch auf Schutz, aber nicht zwingend auf Privilegierung durch den Staat. Kinder haben beides bitter nötig. Das halbherzig halbierte Gattensplitting ist da nur eine halbe Lösung.

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