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MEIN Blick: Blair war kein Bismarck Der Irakkrieg ist ein Bruch mit der britischen Tradition

In Deutschland ist er mit Lorbeer bekränzt verabschiedet worden, der Staatsmann Tony Blair. Mit Winston Churchill wurde er verglichen und als ein unerschrockener Kämpfer für die Freiheit gerühmt.

In Deutschland ist er mit Lorbeer bekränzt verabschiedet worden, der Staatsmann Tony Blair. Mit Winston Churchill wurde er verglichen und als ein unerschrockener Kämpfer für die Freiheit gerühmt. Man brauche ihn noch, rief ihm ein bekannter Verleger nach, da er als einer der ganz wenigen die Dimension des Konflikts mit dem zum Staatsterrorismus radikalisierten Islam erkannt habe.

Das Pathos ist fehl am Platze. Denn seit Blair dem amerikanischen Präsidenten in den falschesten und sinnlosesten Krieg gefolgt ist, hat dieser Staatsterrorismus ein Land als Basis gewonnen, das unter Saddam Hussein dafür nicht zur Verfügung stand. Es sei doch nicht die Schuld britischer und amerikanischer Regierungen, wenn sich in einem Land, in dem nach der Befreiung von einem Diktator heute freie Wahlen stattfinden können, Sunniten und Schiiten gegenseitig umbringen, lautet das Argument.

Doch wer so verständnislos ahistorisch argumentiert, hat sich als Staatsmann disqualifiziert. Denn eben das macht die Größe eines Benjamin Disraeli oder eines Otto von Bismarck aus, dass sie vor einem Krieg über die möglichen Folgen und die Mittel, diese zu begrenzen, nachgedacht haben, dass sie den Krieg als letztes Mittel, als chirurgischen Eingriff sahen und nie auf den Gedanken gekommen wären, damit Demokratie oder gar eine neue Weltordnung durchzusetzen.

Es ist eben nicht so, dass sich im Nahen und Mittleren Osten Gut und Böse, hier die Freiheit, dort die Unfreiheit gegenüber stehen, und es ist falsch und gefährlich immer von Neuem auf das Beispiel Hitlers und die Gefahren der Appeasementpolitik zu verweisen. Appeasementpolitik war nicht an sich falsch, sie war unangebracht gegenüber einer Figur, die die Welt aus den Angeln heben, das Judentum vernichten und Raum im Osten schaffen wollte.

Saddam Hussein war zwar ein Verbrecher wie heute Robert Mugabe in Simbabwe und manche andere auch, aber eben kein neuer Hitler, der seine Visionen auch um den Preis der Selbstzerstörung blutige Realität werden lassen wollte. Es mag ja sein, dass die Rhetorik mancher arabischen Staatsmänner gegenüber Israel Anklänge an Goebbels und Streicher aufweist, doch selbst der Tyrann Saddam Hussein war gegenüber den Gotteskriegern ein Ordnungsfaktor, despotisch und brutal zwar, aber berechenbar.

Tony Blair hat zusammen mit dem amerikanischen Präsidenten eine neue Doktrin verkündet, die gewaltsame Durchsetzung einer formalen Demokratie auch dort, wo eine Stammesgesellschaft und religiöse Spaltungen Wahlen zur Farce machen; er hat damit der alten erfolgreichen kolonialen Tradition der Engländer abgeschworen, die kulturellen Überlieferungen der Beherrschten unangetastet zu lassen. Das Ergebnis ist ein Krieg wie ihn Napoleon 1809 in Spanien geführt und verloren hat. Als die Mächte der Heiligen Allianz die Legitimität mit militärischen Interventionen aufrecht zu erhalten suchten, war es ein britischer Premier – George Canning – der dieser Politik einen britischen Riegel vorschob. Der Krieg im Irak ist nichts anderes als die spiegelverkehrte Wiederaufnahme jener Interventionspolitik, diesmal zugunsten westlicher demokratischer Vorstellungen statt eines historischen Thronrechts. Dass Blair diesen Weg mitgegangen ist, macht ihn zum Außenseiter, zu einer amerikanischen Erscheinung in der britischen Überlieferung. Das Urteil über diesen Traditionsbruch wird erst die Geschichte sprechen, der Misserfolg hat ihn schon heute ereilt.

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