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MEIN Blick: Deutsche Aufgeregtheit Koch und Köhler: Warum die Briten sich nur wundern

Manchmal ist es nützlich, deutsche Probleme mit anderen Augen zu sehen. Zum Beispiel mit britischen.

Da verschwinden innerhalb von zwei Wochen zwei Politiker aus der ersten Reihe – zuerst Roland Koch und danach Horst Köhler. Britischen Medien war der Abgang des ersten kein, der Abgang des deutschen Staatsoberhauptes nur ein kurzes Wort völligen Unverständnisses wert. Staatsoberhäupter danken in England nicht ab, und als es einer, Eduard VIII., 1936 tat, wurde er von der Politik wie der Gesellschaft, ja selbst von dem ihm nachfolgenden eigenen Bruder wie eine Unperson behandelt. Das Staatsoberhaupt ist eine Institution, die nicht in die Verfügungsmacht des Einzelnen gegeben ist, niemals und unter keinen Umständen.

Was den Engländern im Allgemeinen und der politischen Klasse im Besonderen an den deutschen Dingen fremd erscheint, ist die ununterbrochene Aufgeregtheit, ohne dass es wirklich etwas Aufregendes gäbe. Köhlers Worte über den Schutz des Handels durch die Bundeswehr mögen missverständlich gewesen sein, zumal Afghanistan kaum eine wirtschaftliche Rolle spielt. Die Sache selbst war aus britischer Sicht unangreifbar. Schließlich verteidigte die Royal Navy über Jahrhunderte die Verbindungs- und Handelswege des Britischen Empire. Wenn die Bundesregierung jetzt das größte Sparpaket seit Gründung der Bundesrepublik schnürt und es dabei Verwerfungen nicht nur mit den Gewerkschaften, sondern auch innerhalb der Koalition gibt, können englische Politiker darüber nur mit dem Kopf schütteln.

Nicht nur, dass die ungewohnte Koalitionsregierung aus Tories und Liberaldemokraten weit besser funktioniert als die ersehnte deutsche Wunschkoalition, auch die Probleme sind größer und die Einschnitte tiefer. Und obwohl Großbritannien in diesem und im letzten Jahrhundert Koalitionen nur in den beiden Kriegen und während der Weltwirtschaftskrise kannte, haben sich die neuen Partner in Tagen über Einsparungen geeinigt. Umfangreiche Abmachungen waren dafür nicht nötig. Die Probleme liegen auf der Straße.

Man muss nur einmal an einem Nachmittag durch Grantham, den Geburtsort Margaret Thatchers, gehen, um zu begreifen, wie gut Deutschland noch immer ausgestattet ist und wie wohlhabend seine Menschen sind. Den Opfern der Thatcher-Revolution, die den Einzelnen auf sich allein stellte, noch einmal Einschnitte zuzumuten, würde die geballte deutsche politische Kraft übersteigen. Dass das Land trotz allem noch funktioniert, hat eben viel mit jenen Institutionen zu tun, deren eine Horst Köhler in einem Anfall von schlechter Laune achtlos beiseitegeworfen hat.

Übrigens: Der Prinz von Wales vertritt in vielen, vor allem architektonischen und Umweltfragen vom Mainstream abweichende Meinungen und wird dafür regelmäßig heftig kritisiert. Trotzdem will er König werden.

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