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Mein Blick: Hannemann, geht du voran

Deutschlands Afghanistanpolitik ist verlogen. Wenn Deutschland wirklich am Hindukusch verteidigt wird, muss es auch Truppen in den Süden des Landes schicken.

Die Weltgeschichte pflegt genauer zu sein als die preußische Oberrechnungskammer, hat Bismarck einmal gesagt. Vielleicht denkt der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung manchmal an diesen Satz. Seit ausgerechnet der Sozialdemokrat Peter Struck die fatale Maxima formulierte, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt werde, pflegt das Land offiziell die Lebenslüge, dass Verteidigung der Aufbau von Schulen für muslimische Mädchen im ruhigen Norden des Landes ist.

Nun hat der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates, gedrängt von Briten, Kanadiern und anderen Nato-Partnern, darauf verwiesen, dass Schulbildung für Mädchen zwar gut und schön, aber leider vom vorherigen Sieg der Allianz über Terror und Taliban abhängig sei. Und für den solle Deutschland gefälligst seine Soldaten in den Süden des Landes schicken. Das Nicht- verstehen-Wollen von Merkel und Jung trägt Züge des Grotesken. Denn wenn Deutschland wirklich am Hindukusch verteidigt wird, haben Gates und der Nato-Generalsekretär recht, und Deutschlands Zögern wirkt wie eine Mischung aus Feigheit und opportunistischer Furcht vor einer pazifistischen Öffentlichkeit, kein gutes Eintrittsbillett für einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat.

Doch was die Politik in Berlin umtreibt, ist ja nicht nur das egoistische „Hannemann, geh du voran“, sondern es sind auch Zweifel am Wert der Gesamtstrategie: Kann man eine Gesellschaft, die dazu keine oder doch nur geringe Kräfte aufbringt, mit Waffengewalt vor sich selbst schützen und sie dabei auch noch demokratisieren?

Mag sein, dass Goethes beruhigendes Desinteresse – wenn hinten in der Türkei die Völker aufeinander schlagen … – im Zeitalter der Globalisierung neu definiert werden muss, doch dass sich ausgerechnet in Afghanistan unser aller Zukunft entscheidet, stimmt so wenig, wie es für das britische Weltreich und den russischen Bären zu unterschiedlichen Zeiten zutraf. Doch inzwischen ist die Regierung Gefangene ihrer eigenen Ideologie. Wenn sie Mr. Gates glaubwürdig entgegentreten will, muss sie sich ein paar gute Argumente einfallen lassen, und die können naturgemäß nur aus der Überzeugung kommen, dass die ganze Richtung nicht stimmt, im Norden so wenig wie im Süden. Für ein Stalingrad im Terrorkrieg sind Landschaft, Kultur und Gesellschaft Afghanistans ungeeignet. Schließlich hat einst auch der Verlust Vietnams dem Kommunismus nicht zu einem weltweiten Sieg verholfen.

Nur das muss man dann aussprechen, auch gegenüber dem amerikanischen Verbündeten. Drucksen und Tricksen reicht da nicht.

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