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MEIN Blick: Starkes Russland, gutes Russland

Deutschland muss Moskaus Macht nicht fürchten. Ohne Angela Merkels staatsmännisch bremsenden Einfluss wäre Georgien heute womöglich entsprechend amerikanischen Wünschen Nato-Mitglied.

Es mag ja sein, dass Südossetien zu Georgien gehört, gerade ebenso wie das Kosovo zu Serbien. Doch weder Osseten noch Kosovaren wollen länger als Teil jener Länder leben, denen sie formal angehören. Selbstbestimmungsrecht heißt dieser Unwille seit Präsident Wilsons 14 Punkten aus dem Jahre 1917 – und es wird interessant sein zu sehen, ob der Westen diese Parallele sieht und entsprechende Zurückhaltung übt.

Jedenfalls darf die Integrität Serbiens nicht weniger wert sein als die Georgiens. Doch abgesehen von Recht und Unrecht zeugt es schon von erstaunlicher Kurzsichtigkeit des georgischen Präsidenten zu glauben, dass man im Schatten der Olympischen Spiele eine Großmacht vorführen kann. Russland bleibt gar nichts anders übrig, als zu demonstrieren, dass wer sich unter seinen Schutz stellt auch mit diesem Schutz rechnen kann. Andernfalls hätte es seinen Großmachtstatus verspielt.

Und da war ja noch etwas: Ohne Angela Merkels staatsmännisch bremsenden Einfluss wäre Georgien heute womöglich entsprechend amerikanischen Wünschen Nato-Mitglied oder zumindest nahe daran, sozusagen Kandidat mit Sicherheitsgarantie.

Es gibt manche Politiker bei uns, die über Russland immer noch in den Kategorien des Kalten Krieges denken und meinen, je weniger Einfluss dieses Land hat, umso besser für uns alle. Doch was man bei Litauern, Polen und Ukrainern historisch verstehen kann, ist in Deutschland oder Frankreich bloß ein antisowjetischer Reflex. Seit an die Stelle der expansiv-kommunistischen Weltmacht wieder die Großmacht Russland von Peter dem Großen bis Nikolaus II. getreten ist, sollten wir auch Konflikte Russlands an seinen Grenzen nicht mehr als Ost-West-Auseinandersetzung sehen. Jede Großmacht wird ihre – echten oder vermeintlichen – Interessen im Inneren und an ihren Grenzen schützen. Das erleben IOC und Menschenrechtsaktivisten gerade im China der Olympischen Spiele, das demonstrieren die USA rund um die Welt, zuletzt mit dem Raketenabwehrschild in Polen, und selbst das nicht mehr so große Frankreich in Afrika oder bei der Mittelmeerunion. Das muss, seit Lenin, Stalin und Chruschtschow Geschichte sind, auch für Russland gelten. Preußen und Deutschland sind damit oft gut gefahren, 1763, 1813 und 1866. Von Bismarck stammt die Einsicht, dass man die Russen nie wirklich besiegen könne: „Selbst der günstigste Ausgang eines Krieges würde niemals die Zersetzung der Hauptmacht Russlands zur Folge haben, welche auf den Millionen eigentlicher Russen griechischer Konfession beruht. Diese würden, auch wenn durch Verträge getrennt, immer sich ebenso schnell wieder zusammenfinden wie die Teile eines zerschnittenen Quecksilberkörpers.“

Das mag für Estland mit seiner klugen Minderheitenpolitik inzwischen Vergangenheit sein, für die Ukraine, Weißrussland oder Kasachstan ist es noch immer brennende Gegenwart, da Russland weder die Krim noch Minsk endgültig aufgegeben hat. Es ist deshalb gut, dass Georgien nicht in der Nato ist und sich bei diesem Abenteuer nicht auf deutsche, französische oder andere Nato-Soldaten stützen konnte.

Erst wenn diese Länder ihre historischen Probleme mit Russland bereinigt haben und aus geduldeten Abspaltungen zu neuen geschichtlichen Einheiten zusammengewachsen sind, sind sie wirklich verteidigungsfähig.

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