zum Hauptinhalt

MEIN Blick: Kein Platz für Querdenker Parteidissidenten werden wie im Ostblock behandelt

Nun hat sich Hans-Olaf Henkel also den Freien Wählern angeschlossen und damit das Wagnis der Neugründung einer Partei nicht auf sich genommen. Zu heftig blies der mediale Gegenwind, zu unsicher waren die Chancen, zumal die in diesem Zusammenhang gern genannten Mitstreiter Sarrazin und Clement eher Wunschbild als Wirklichkeit waren.

Nun hat sich Hans-Olaf Henkel also den Freien Wählern angeschlossen und damit das Wagnis der Neugründung einer Partei nicht auf sich genommen. Zu heftig blies der mediale Gegenwind, zu unsicher waren die Chancen, zumal die in diesem Zusammenhang gern genannten Mitstreiter Sarrazin und Clement eher Wunschbild als Wirklichkeit waren.

Neue Parteien haben es in Deutschland institutionell schwer und die etablierten tun alles, um ein wenig mehr innerparteiliche Demokratie und Diskussionsfreude gar nicht erst aufkommen zu lassen. So kann Neues wohl nur im Augenblick der politischen Unaufmerksamkeit der Etablierten entstehen, wie es den Piraten mit einem Thema gelang, das weder Grüne noch Sozialdemokraten ernst nahmen.

Doch wie dünn das Eis ist, auf dem die Traditionsparteien CDU/CSU, SPD und FDP stehen, zeigen ihre Reaktionen auf Abweichler und Querdenker. Dass Sarrazins Warnung vor einem Deutschland, das sich abschafft, nicht hilfreich war, ist ein von der Bundeskanzlerin vorgegebener politischer Konsens. Dass nicht hilfreiche Bücher zum Ausschluss aus der einst freiheitlichen Traditionsgemeinschaft der Sozialdemokraten zu führen haben, war für viele Genossen offensichtlich selbstverständlich und nur ein kompliziert-rechtsstaatliches Verfahren hinderte sie daran, das Ziel auch zu erreichen.

Wer Management und politischen Auftritt der Spitzenliberalen während und um den Mitgliederentscheid des Euro-Rebellen Frank Schäffler beobachten konnte, musste am freiheitlichen Charakter dieser Partei verzweifeln. Das körperliche Unbehagen Philipp Röslers, neben einem stehen zu müssen, der sich herausnimmt, anderer Meinung zu sein als die FDP-Führung, war mit Händen zu greifen. Schließlich wurde der Druck des Unbehagens so groß, dass man die Sache schon vorab für gescheitert und erledigt erklärte. Eine freiheitliche Debattenkultur sieht anders aus.

Auch die CDU pflegt einen Umgangs- und Debattenstil, der eher an eine sozialistische Kaderpartei als an eine christliche Volkspartei erinnert. Wie das in diesen Kreisen mit dem Gewissen des freien Abgeordneten ist, hat Merkels Kanzleramtsminister unnachahmlich zu Protokoll gegeben, und auch die Altvorderen Schäuble und Kauder halten es offensichtlich mit dem christlichen Menschenbild für vereinbar, wenn Strömungen unterdrückt und Abweichlern von der Kanzlermeinung die rote Linie gezeigt wird. Statt sich darüber zu freuen, dass die absterbenden Wurzeln der alten CDU, das Konservative, das Liberale und das Soziale aus der Partei heraus wieder gewässert und erneuert werden, sieht die Führung bloß Dissidententum, das genau wie einst im sozialistischen Ostblock mit Parteistrafen zu disziplinieren ist.

Wo das Gewissen des Abgeordneten nur noch „so ein Scheiß“ ist, ist der Zaunpfahl der Nichtwiederaufstellung nicht weit. Schließlich sind Abgeordnete auch nur Menschen, und sie daran rechtzeitig zu erinnern, ist wohl ein Ausdruck eben jenes christlichen Menschenbildes. Ob nun der Berliner Kreis in der CDU, der Mitgliederentscheid in der FDP oder das Ertragen Sarrazins in der SPD – die deutschen Parteien müssen wieder daran erinnert werden, dass sie nach dem Grundgesetz zwar an der Willensbildung des Volkes mitwirken sollen, diese aber nicht ersetzen können. Auch wenn die Inhalte bis jetzt dürftig sind, ist es gut, dass der Erfolg der Piraten den anderen dies wieder ins Gedächtnis ruft. Schließlich ist das Parteiensystem in Deutschland nicht in Beton gegossen, und am Ende bestimmt noch immer das Wahlvolk, wer seine Interessen vertritt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false