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MEIN Blick: Uns kann keiner

Von Einsicht ist bei den Bankern nichts zu spüren: Bei ihnen herrscht systemrelevanter Zynismus

Von Otto von Bismarck stammt die Beobachtung, dass historische Momente nicht ewig dauern und das Fenster der Gelegenheit sich ebenso schnell wieder schließt wie es sich überraschend geöffnet hat. Wer die Chance hatte, den arroganten Auftritt des Deutsche- Bank-Chefs vor dem Hypo-Real- Estate-Untersuchungsausschuss zu beobachten, oder die Mühen verfolgt, mit denen der angeschlagene schleswig-holsteinische Regierungschef versucht, einen erfolglosen Manager seiner HSH- Nordbank von fetten Boni abzubringen, weiß, dass das Fenster der Gelegenheit, eine Wiederholung der Finanzkrise mit gesetzgeberischen Mitteln zu verhindern, allenfalls noch einen Spalt breit offen steht.

Die nachdenklichen Töne der Einsicht und das Versprechen auf Besserung sind längst dem „Weiter so“ gewichen. Die Deutsche Bank nähert sich wieder der Eigenkapitalrendite von 25 Prozent, die Londoner Immobilienpreise steigen wieder und alle Vorschläge zur Eindämmung des Casino-Kapitalismus werden in Washington und London auf die lange Bank späterer einvernehmlicher Lösungen geschoben. „Es hätt’ noch immer jott jegange“, wie die Kölner zu sagen pflegen. Schließlich haben Staat und Steuerzahler verhindert, dass der Karren gegen die Wand und das Finanzsystem in den Abgrund gerollt ist. Jetzt zeigt sich, dass die Hoffnung auf Einsicht und Besserung eine Schimäre ist, ja schlimmer noch, dass die staatliche Garantie für systemrelevante Finanzinstitute geradezu das Gegenteil bewirkt hat, nämlich die Erfahrung: Uns kann keiner.

Während mittelständische Unternehmen wie Unternehmer in die auch private Pleite rutschen, können systemrelevante Finanzinstitute auf Staatsgarantien und deren angestellte Manager auf Abfindungen bauen. Doch warum soll ich ein für die Allgemeinheit desaströses Geschäftsmodell aufgeben, wenn ich in guten Zeiten damit glänzend verdiene und in schlechten Zeiten die Schulden vom Steuerzahler beglichen werden? Nun könnte man sich mit der zynischen Einsicht bescheiden, so ist eben dieses System, das trotz großer Ungerechtigkeit und noch größerer Unmoral auch beträchtlichen Wohlstand produziert hat. Doch gerade dieser systemrelevante Zynismus reicht diesmal nicht. Denn wenn alles so weiterläuft wie bisher, ist die nächste Krise – größer und zerstörerischer als die letzte – absehbar. Und absehbar ist auch, dass der bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit und darüber hinaus beanspruchte Staat das nächste Mal nicht mehr genügend Reserven aufbringen kann, um auch nur virtuelle Schutzschirme zu spannen.

Zwar wissen das alle Beteiligten, aber nur die von Josef Ackermann im Bundestagsausschuss von oben herab behandelten Politiker fürchten auch die gesellschaftlichen Folgen. Für die Akteure des ungezügelten Finanzkapitalismus geht auch nach der nächsten Krise das Leben dank hoher Boni weiter. Und eben deshalb versanden alle Ansätze, dem gemeinsam gelobten „Nie wieder“ gesetzlichen Nachdruck zu verleihen.

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