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MEINE Heimat: Recht in der Republik

Das Beschneidungsurteil und Bayerns angekündigte Klage gegen den Länderfinanzausgleich haben mein Rechtsverständnis gestört. Nun ist es wieder im Lot.

Den Spruch kenne ich noch aus meiner Lehre als Justizangestellte in Duisburg: Für alles gibt es drei Lösungswege, den juristischen, den politischen und den vernünftigen. Nehmen wir zum Beispiel das Urteil zur religiösen Beschneidung. Streng genommen kann man es so sehen wie das Kölner Gericht. Ausschließlich am Paragrafen orientiert bedeutet es, dass ohne Gefahr für Leib und Leben die Beschneidung eine Körperverletzung ist. Eltern, die im Rahmen des Sorgerechts der Beschneidung zustimmen, um damit traditionelle jahrtausendealte rituelle Handlungen als Ausdruck der religiösen Zugehörigkeit auszudrücken, verstoßen juristisch gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Wenn man aber in der eindimensionalen Form die zwei Rechtsgüter, körperliche Unversehrtheit und freie Religionsausübung gegenüberstellt, wird das eine Grundrecht über das andere gestellt und der Sinn des Rechts bleibt außen vor.

Nun bin ich keine Juristin, aber mein Rechtsverständnis sagt mir, dass Recht dazu da ist, Regeln zu stiften, die ein Miteinander ermöglichen, Minderheiten schützen und Realitäten des Zusammenlebens akzeptieren. Dem trägt dieses Urteil leider keine Rechnung, denn die Verfassung garantiert die Freiheit der Religion. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass alle drei monotheistischen Religionen durch bestimmte Regularien Zugangshürden aufgestellt haben, die man akzeptieren muss, um dazuzugehören? Nur durch die Zustimmung entsteht eine Bindung.

Apropos Bindung: Der Ministerpräsident von Bayern hat zum Gang vor das Bundesverfassungsgericht geladen. Politisch kriegt er den Länderfinanzausgleich nämlich nicht auf die Reihe. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zahlen in einen Topf, aus dem sich die ärmeren Länder bedienen. Der Gedanke dahinter ist, dass wir ungefähr die gleichen Lebensverhältnisse in unserer Republik haben sollen. Aber wenn man das genauer betrachtet, ist es nicht so einfach. Berlin bildet Studenten für die Republik aus, prozentual übrigens mehr als die Bayern, die sogar Abiturienten importieren müssen, da sie nicht genügend Gymnasialkinder für die ganzen Laptops und Lederhosen haben. Überhaupt kommt viel Bemerkenswertes zutage, wenn man mal schaut, welches Land Leistungen für andere Länder erbringt, ohne dafür einen Ausgleich zu bekommen. So populistisch, wie das der Ministerpräsident darstellt, ist es nicht. Und der Irrglaube, dass ein Gericht das nun richten wird, was Politik mit begrenztem Horizont nicht zu vermitteln vermag, ist so legal, wie es ein Armutszeugnis bleibt.

Ein erbärmliches Armutszeugnis hat die Justiz soeben beseitigt, was mich wieder mit unseren Gerichten versöhnt. Es ist der Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen. Es gibt keine Menschen erster und zweiter Klasse. Jeder, der Hilfe braucht, hat Anspruch auf gleiche Hilfe. Das ist vernünftig, politisch richtig und juristisch setzt es Maßstäbe.

Oder wie mein Vater sagen würde: „Alim unutmus, kalem unutmamis“ – der Gelehrte hat es vergessen, der Stift nicht.

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