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Meinung: Lafontaines Zukunft: Geisel seiner Geschichte

Oskar Lafontaine gilt als egomanisch, rachsüchtig und populistisch. In Umfragen wird er oft als einer der bekanntesten Politiker gelistet – das Wahlvolk kann darin immer wieder bestätigen, dass keiner so unbeliebt ist wie der Linken-Politiker.

Von Matthias Meisner

Ginge es nur um den eigenen Ruf, so könnte Oskar Lafontaine sich völlig ungeniert davonmachen. Sein Ansehen ist dauerhaft ruiniert, spätestens seit er sich vor viereinhalb Jahren entschieden hat, der PDS den Sprung nach Westen zu ermöglichen und sich an die Spitze einer Truppe zu stellen, die zwar nicht so richtig neu war, aber eben doch mehr als nur die Ex-DDR-Staatspartei SED. Lafontaine gilt als egomanisch, rachsüchtig, populistisch. In Umfragen wird er oft als einer der bekanntesten Politiker gelistet – das Wahlvolk kann darin immer wieder bestätigen, dass keiner so unbeliebt ist wie der Linken-Politiker.

Seine Genossen wollen davon nichts mehr wissen, sie rücken hinter dem attackierten Vormann zusammen. Am Montag kommender Woche trifft sich die Linkspartei im Kongresszentrum am Berliner Alexanderplatz, und längst geht es um mehr als die zunächst angesetzte Klausursitzung der 76 Bundestagsabgeordneten. Die Veranstaltung „Fraktion vor Ort“ soll zum Event werden, zu Lafontaine-Festspielen. Stärke öffentlich zeigen, Geschlossenheit ist die Devise. Und Ehrfurcht vorm Chef, selbst wenn ihn längst nicht alle lieben. Vorbehalte gegen den Saarländer gibt es sehr wohl auch in den eigenen Reihen, doch darüber darf keiner mehr sprechen.

Am 11. Januar will die Linke Lafontaine keine Wahl mehr lassen. Sein Comeback nach der mit seiner Krebsoperation begründeten Auszeit hat die Partei fein inszeniert. Jetzt muss nur noch er sagen, dass er wirklich auf dem Parteitag im Mai in Rostock für weitere zwei Jahre als Vorsitzender kandidiert. Sein Abgang jetzt würde die Partei zerreißen. So viel Einsicht traut seine neue Partei dem ehemaligen SPD-Chef zu. Begriffen hat er hoffentlich, dass er nicht noch mal so gehen kann wie 1999, als er seinen eiligen Rückzug von allen Ämtern per Fax kundtat. Gregor Gysi wird nicht müde zu erklären, dass er auf seinen Kompagnon beständig in diesem Sinne einreden muss. Ihr gemeinsamer Erfolg macht sie zu so etwas wie Geiseln, weil es beiden nicht gelungen ist, talentierte Nachfolger aufzubauen.

Eine Erfolgsserie hat Lafontaine hingelegt, gewiss, die Linke gesamtdeutsch verankert. Sie ist nicht nur im Osten Volkspartei, sie sitzt auch in sechs von zehn westdeutschen Landtagen. Bei der Bundestagswahl 2009 legte sie deutlich zu, von 8,7 auf 11,9 Prozent. Das ist maßgeblich Lafontaines Verdienst. Sein politischer Instinkt ist extrem ausgeprägt, und nicht nur einmal hat er gezeigt, dass er aus Stimmungen Stimmen machen kann, für sich wie für seine Partei. Sein Problem ist, dass die Coups kaum noch zu toppen sind.

Mutmaßlich wird Lafontaine die Linke noch nicht im Stich lassen. Aber sein Abgang auf Raten hat begonnen, mit dem Verzicht auf den Fraktionsvorsitz. Der hatte weniger einen gesundheitlichen, als vor allem einen politischen Hintergrund: Vor der Bundestagswahl hat die Linke darauf gesetzt, dass sich die große Koalition hält und es, vielleicht 2011, zur Rebellion in der SPD kommt, dann zu einem Linksbündnis früher als gedacht. Für Lafontaine wäre das spannend gewesen, es wäre sein Lebenswerk geworden. Nun aber fehlt der Ansatz für die rot-rot-grüne Beziehung. Bundesminister im Jahr 2013, wenn er 70 ist, etwa Klaus Wowereit zu Diensten? Zu reizlos, um dafür zu kämpfen. Schon gar nicht kann er eine Wiedervereinigung mit einer SPD organisieren, die sich mit ihm auf alte Werte einigte.

Nun ist Lafontaine Parteichef in Altersteilzeit, nach Laune betritt er die Berliner Bühne. Spektakulär wird irgendwann nur noch sein endgültiger Abgang sein.

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