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Meinung: Luther als Logo und Label

Die Kirche macht es sich zu leicht.

Die Freiheit ist zum Kern der Marke „evangelisch“ geworden. Auch an diesem Donnerstag, am Reformationstag, wird sie wieder tausendfach beschworen, in City-Kirchen, Dorfkapellen, bei Empfängen und Dinnerspeaches. Auch Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), spricht gerne von der Freiheit. Sein Amtsvorgänger, Altbischof Wolfgang Huber, hat die Protestanten gar zur „Kirche der Freiheit“ ernannt. Auch den anderen evangelischen Bischöfen und der Luther-Botschafterin Margot Käßmann geht die Rede von der Freiheit leicht über die Lippen.

„Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“, formulierte Martin Luther. Der zweite Satz mit dem Knechtsein wird heute allerdings oft übergangen. Er passt nicht so gut in die freiheitliche Gesellschaft.

Gerne wird die Freiheit auch mit dem Zweifeln verbunden. „Die Freiheit zum Zweifel eröffnet Horizonte“, sagte zum Beispiel Nikolaus Schneider in seiner Predigt zum Reformationstag vor zwei Jahren. Das klingt gut und stimmt ja auch. Wer sich die Mühe macht, scheinbare Wahrheiten und Klarheiten zu hinterfragen, entwickelt sich weiter. Dass Luther Menschen ermutigte, Dogmen zu hinterfragen und auf Gottes Gnade zu vertrauen, gehört zu den Stärken des Protestantismus. Keine Frage.

Doch zweifeln kann eben auch sehr mühsam sein. Das wird gerne unterschlagen. Für Luther war der Zweifel nichts Positives. Er war die Hölle. Die Frage, ob es Gott gibt und ob er den Menschen gnädig ist, zog ihm den Boden unter den Füßen weg.

Daran könnte man in Predigten anknüpfen und das Zweifeln mal richtig auseinandernehmen, ordentlich lutherisch. Doch in der evangelischen Kirche wird lieber hinweggeplaudert, wo man es sich auch wohltuend schwer machen könnte. Die Rede von der Freiheit, von den Zweifeln und von den Brüchen ist so glatt gespült, dass sie selbst wie unhinterfragbares Traditionsgut wirkt. Wer lässt sich davon noch aufrütteln?

Die zu Tode zitierten Luther- Sätze werden zum Paket geschnürt, fertig zum Mitnehmen und gefahrlosen Konsumieren. Luther wird zur Marke, zum Logo, Label und Event. Wenn es so weitergeht, ist 2017, wenn der 500. Geburtstag des Thesenanschlags zu Wittenberg gefeiert wird, vielleicht nichts mehr von ihm übrig. Dagegen hilft nur, den Reformator ernst zu nehmen. Deshalb: Bitte weniger Plauderprotestantismus und mehr Ernsthaftigkeit, mehr echte Zweifel und Debatten ums Eigentliche. Wer es den Zuhörern zu leicht macht, wird selbst auf die leichte Schulter genommen.

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