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Bad Banks: Jeder schimpft dieser Tage über die Banken und ihre Schuld an der Euro-Krise. Damit macht man es sich zu einfach, findet Robert Leicht.

© dpa

Meinung: Staaten tragen mehr Schuld als die Banken

"Zerschlagt die Banken! Und schon sind alle Übel beseitigt. Ach, wenn die Welt nur so einfach wäre", findet Robert Leicht. Er sieht eine viel größere Schuld bei den Staaten.

Es ist ja immer gut – oder sagen wir besser: immer sehr einfach, wenn man ein passendes Feindbild zur Hand hat, auf das man alles Unbehagen, alle Kritik und alle Wut konzentrieren kann, so dass man eigentlich nur diesen Feind beseitigen oder zertrümmern muss. Und schon ist die Welt wieder in Ordnung. Gegenwärtig erfüllen „die Banken“ diese Funktion der Weltvereinfachung – oder neuhochdeutsch gesprochen: der Komplexitätsreduktion. Zerschlagt die Banken! Und schon sind alle Übel beseitigt. Ach, wenn die Welt nur so einfach wäre. Wenn man dieser törichten und populistischen Parole widerspricht, heißt dies noch lange nicht, dass man umgekehrt „die Banken“ und schon gar nicht alle Banken außer Kritik stellen möchte.

Gewiss, die Bankenkrise des Jahres 2008 fing damit an, dass amerikanischen Häuslebauern in der Erwartung unbegrenzt steigender Immobilienpreise massenhaft Hypotheken angedreht worden waren, von denen jeder vernünftige Mensch (übrigens auch jeder vernünftige Häuslebauer!) wissen konnte, dass sie im Zweifelsfalle nicht bedient werden könnten. Anschließend haben Bankmanager diese Schulden so lange verpackt und umgepackt, bis daraus heiße Wertpapiere wurden, auf die dann im großen Stile auch unsere deutschen Landesbanken, also durchaus schon „verstaatlichte“ Banken mit ihren ausgegliederten „Zweckgesellschaften“ hereingefallen sind – hereingefallen auf der Suche nach „neuen“ Geschäftsfeldern. Neue Geschäftsfelder – das heißt zumeist: Geschäfte, von denen man noch nichts versteht. Und weshalb haben sie dies getan? Vor allem deshalb, weil deren Eigner, und zwar keine üblen Kapitalisten mit Melone auf dem Kopf und dicker Zigarre im Gesicht, sondern eben biedere Ministerpräsidenten und scheinbar schlaue Landesfinanzminister ihre Haushalte und Ambitionen mit scharfen Renditen über das Maß dessen hinaus anfüttern wollten, was die ordentlichen Steuereinnahmen sonst hergegeben hätten.

Schon dieser Rückblick lässt mir die Forderung, die Banken nun einfach der Kontrolle der Staaten, also der Politiker, die eben noch mitgezockt hatten, zu unterstellen (oder gar, wie die Linkspartei es am Wochenende forderte: sie gleich ganz zu verstaatlichen), doch einigermaßen naiv erscheinen. Nun kommt aber noch eine ganz andere Dimension hinzu. Bei der gegenwärtigen Finanzkrise handelt es sich ja nicht um eine Bankenkrise, sondern um eine Verschuldungskrise der Staaten und ihrer Politiker. Das Vertrauen in die Finanzmärkte ist diesmal zerstört, weil niemand weiß, wann die Staaten, die in den vergangenen Jahrzehnten scham- und rücksichtslos Schulden über Schulden aufgehäuft haben, diese jemals bedienen, geschweige denn tilgen können. Und da schimpfe niemand nur auf die Griechen (die sind zwar Hals über Kopf verschuldet, aber machen im Maßstab kein so großes Problem aus), sondern jeder Staat und übrigens auch jeder Wähler kehre vor seinen eigenen Tür – von Washington über Tokio, Rom, Paris und nicht zuletzt in Berlin. Wie haben denn wir die deutsche Einheit finanziert? Doch nicht, wie uns der liebe Theo einst in aller Naivität versprochen hatte, aus der Portokasse, sondern überwiegend mit den Schulden, an denen noch unsere Kinder und Kindeskinder laborieren werden!

Nein, diese politisierenden Schuldenmacher – von uns Wählern gewählt, weil wir mit ihnen den bequemsten Weg gehen wollten: Buy now, pay later – Kauf’ heute, lass’ andere später bezahlen! – gehören mindestens so peinlich an den Pranger gestellt (und zwar zusammen mit uns!) wie „die Banken“. Aber wenn man erst einmal einen Sündenbock gefunden hat, lässt sich einfach von den eigenen Verfehlungen ablenken. Denkste!

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