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Mentale Mahlzeit: Denken macht satt

Iss virtuell: US-Forscher haben untersucht, wie sich das Vorstellen von Essen auf unseren Appetit auswirkt. Sie fanden eine gute Nachricht zur rechten Zeit. Schließlich steht das Weihnachtsfest vor der Tür.

Es gibt auf der Welt mehr Diäten als es zu Essen gibt: Iss die Hälfte, iss mehr Gemüse, keine Kohlenhydrate, weniger Fett, mehr basisch, iss die andere Hälfte, iss wenig, iss morgens, iss Rotes, iss Rohes, iss nichts was einen Schatten wirft, iss entsprechend deines Alters, deiner Blutgruppe, deines Sternzeichens, deiner Schuhgröße.

Bald könnte eine neue Variante dazukommen: Iss virtuell. Forscher der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh in den USA haben untersucht, wie sich das Vorstellen von Essen auf unseren Appetit auswirkt. Dafür baten sie 51 Testpersonen, sich entweder vorzustellen, wie sie M&Ms essen oder wie sie Münzen in einen Automaten werfen. Danach konnten alle Testpersonen jeweils aus einer Schale mit 40 Gramm der Schokolinsen so viel essen, wie sie wollten.

Der Pausensnack kam danach allerdings auf die Waage und die Forscher maßen, wie viel jeder Einzelne zu sich genommen hatte. Das Ergebnis: Die Teilnehmer, die geistig geschlemmt hatten, griffen nachher deutlich seltener zu als die anderen. Dieser Effekt trat nur auf, wenn die Probanden sich vorstellten, das zu essen, was ihnen später auch angeboten wurde. Stellten sie sich einfach nur das Aussehen der Speise vor, oder stellten sie sich vor, Käse zu essen, nahmen sie hinterher genau so viele Schokolinsen wie der Rest.

„Unsere Resultate zeigen, dass es grundsätzlich verkehrt ist, die Gedanken an begehrte Speisen zu unterdrücken, um seinen Appetit zu zügeln“, sagt Carey Morewedge, der die Studie geleitet hat, die heute im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht wird. Der flüchtige Gedanke an einen Schokoriegel mag den Appetit erhöhen. Aber wer ein genüssliches Kopfkino ablaufen lässt, der isst hinterher weniger.

Habituierung heißt das Zauberwort. So nennen Forscher die Macht der Gewöhnung, ob an ein helles Licht, einen lauten Ton oder das eigene Gehalt. Der erste Bissen eines saftigen Steaks ist eben begehrenswerter als der zehnte. Und für diese Habituierung bedarf es offenbar nicht eines tatsächlichen Steaks. Eine mentale Mahlzeit reicht. „Zu einem gewissen Grad ist die reine Vorstellung einer Erfahrung ein Ersatz für tatsächliche Erfahrung“, sagt Joachim Vosgerau, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Es gibt andere Beispiele dafür: Bewegungsabläufe können verbessert werden, indem Sportler sie nur in ihrem Kopf trainieren, und der Gedanke an eine Spinne kann den Puls ebenso hochjagen wie eine echte Spinne.

Auf jeden Fall ist es eine gute Nachricht zur rechten Zeit. Schließlich steht das Weihnachtsfest vor der Tür mit seinen gürtelstrapazierenden Gelagen. Stellen Sie sich schon einmal die fette Festgans vor. Und jetzt führen Sie die Gabel zum Mund …Kai Kupferschmidt

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