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Merkels Krisentreffen: Ein bisschen Zeit muss sein

Das größte Problem ist derzeit nicht, dass die Deutschen zu wenig Geld hätten. Jedenfalls haben die meisten nicht weniger Geld als vor ein paar Monaten, als die Welt noch in Ordnung war. Das größte Problem ist die wegbrechende Auslandsnachfrage.

Zugegeben, es ist nicht ganz so kurzweilig, 32 Menschen an einen Tisch zu holen und einen Abend lang in Ruhe diskutieren zu lassen, anstatt gleich mit Milliarden um sich zu werfen. Zugegeben, es wäre nett, wenn es die eine, die große Lösung für die Krise gäbe – eine, die auch noch in allen Staaten der Erde gleichermaßen anzuwenden wäre. Aber es ist nicht so. „Ob es auf die wirtschaftlichen Fragen überhaupt die perfekte Antwort gibt, weiß ich nicht“, sagt – Angelina Jolie. Gut, als Schauspielerin ist sie nicht vom Fach, aber mit ihrer Skepsis hat sie recht. Es lohnt sich, den gesunden Menschenverstand zu bemühen und Ideologien hinter sich zu lassen.

Gordon Brown wäre von seiner Partei vor kurzem beinahe fortgejagt worden. Er regiert in einem Land, das die klassische Industrie nahezu abgeschafft und an deren Stelle die – jetzt abgestürzte – Finanzwirtschaft gesetzt hat. Brown und Großbritannien sind in einer verzweifelten Lage. Mag sein, dass die gesenkte Mehrwertsteuer für etwas mehr Konsum sorgt. Aber sie treibt die Verschuldung des Königreichs auf ein Niveau, das weitere Schritte mindestens erschwert. Was will der Premierminister eigentlich tun, wenn die Arbeitslosen Schlange stehen und kein Geld mehr da ist? Mit dem Finger auf die Deutschen zeigen?

Auch Nicolas Sarkozy musste um seine Autorität kämpfen. Es herrschte mehr Interesse an seiner Frau als an seiner Politik. Jetzt hat er mit großer Geste ein Konjunkturpaket vorgelegt, das in weiten Teilen aus Dingen besteht, die ohnehin beschlossen waren oder deren positive Wirkung zweifelhaft ist. Frankreich hätte auch ohne die Krise absehbar gegen das Maastricht-Kriterium der Europäischen Union in Sachen Neuverschuldung verstoßen. Auch Sarkozy und Frankreich sind in einer gefährlichen Lage.

Ausgerechnet Brown und Sarkozy fordern nun die Deutschen auf, mehr gegen die Krise zu tun. Aber tun sie selbst genug? Vor allem: Tun sie das Richtige? Und sind ihre Probleme nicht andere als unsere? Untätig sind die Deutschen ja nicht. Die nationalen Konjunkturpakete innerhalb der Europäischen Union sollen sich auf 170 Milliarden Euro belaufen, Deutschland trägt dazu mit mehr als 30 Milliarden Euro bereits ziemlich exakt die geforderten 1,2 Prozent des Brutto inlandsprodukts bei.

Es ist richtig, ja geradezu heilsam, sich genau zu überlegen, was der nächste Schritt sein soll. In drei bis sechs Wochen sollen Entscheidungen fallen, das kann nicht zu spät sein. Das größte Problem ist derzeit nicht, dass die Deutschen zu wenig Geld hätten. Jedenfalls haben die meisten nicht weniger Geld als vor ein paar Monaten, als die Welt noch in Ordnung war. Das größte Problem ist die wegbrechende Auslandsnachfrage. Das nächste Konjunkturpaket sollte deswegen nicht vornehmlich beim Privatkonsum ansetzen, sondern staatliche Investitionen gezielt steigern und private Investitionen fördern. Daneben mag es politisch sinnvoll sein, schon jetzt etwas gegen die „kalte Progression“ zu tun, also Steuern oder auch Abgaben zu senken.

Mehr freilich als der Blick nach Großbritannien und Frankreich lohnt die Beschäftigung mit dem sich abzeichnenden Konjunkturpaket von Barack Obama. Es soll alle Dimensionen sprengen – von einer Billion Dollar über zwei Jahre ist die Rede – und maßgeblich auf staatliche Investitionen setzen. Die USA wollen dabei offenbar gleichzeitig zwei epochale Herausforderungen angehen: die Krise und den Klimawandel. Das ist auch für Deutschland der richtige Weg.

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