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Merkels Rede vor dem US-Kongress: Aus Liebe zum Klima

Angela Merkel wird nicht als Schulmeisterin auftreten. Umgekehrt verlangen US-Politiker auch nicht bei jeder Gelegenheit, dass Deutschland mehr Soldaten nach Afghanistan schickt. Sie hätten das zwar gerne, wissen aber, dass der Wunsch nicht erfüllt wird. Warum also das Unrealistische fordern?

Eine Regel kluger Außenpolitik besagt, man solle seine Verbündeten nicht mit unrealistischen Wünschen überfordern. Man erreicht wenig, wenn der Partner die Bitte nicht erfüllen kann. Es belastet jedoch das Arbeitsklima, weil kein Politiker sich gerne bloßstellen lässt.

Am morgigen Dienstag wird Angela Merkel vor dem US-Kongress sprechen – eine Ehre, die nur einem Kanzler vor ihr zuteil wurde: Konrad Adenauer im Mai 1957. In ihrer wöchentlichen Videobotschaft hat Merkel bei manchen Deutschen die Erwartung geweckt, sie werde den Klimaschutz in den Mittelpunkt ihres Auftritts stellen und die USA zu substanziellen Zugeständnissen bei der Klimakonferenz in Kopenhagen drängen. Doch Merkel ist eine kluge Frau. Sie kennt die Regeln und beherzigt sie. Sie wird nicht als Schulmeisterin auftreten. Umgekehrt verlangen US-Politiker auch nicht bei jeder Gelegenheit, dass Deutschland mehr Soldaten nach Afghanistan schickt. Sie hätten das zwar gerne, wissen aber, dass der Wunsch nicht erfüllt wird. Warum also das Unrealistische fordern?

Merkel versteht, dass der Kongress kein Klimaschutzgesetz vor der Konferenz in Kopenhagen verabschieden wird – und dass Präsident Obama, falls er denn kommt, keine bindende Reduzierung der Treibhausgase unterschreiben kann, die nicht auch die Zustimmung des Parlaments findet. Merkel wird vielmehr eine Lobesrede auf die deutsch-amerikanischen Beziehungen halten und sich kurz vor dem 20. Jahrestag des Mauerfalls dafür bedanken, dass die USA als einzige der westlichen Verbündeten die deutsche Einheit vorbehaltlos unterstützt haben. Sie wird ihre Biografie erzählen – als herzenswärmenden Beleg, dass der Glaube an den Triumph der Freiheit, der den Amerikanern heilig ist, am Ende siegt, auch wenn es manchmal schmerzlich lange dauert. Wenn sie die Herzen gewonnen hat, kann sie sich den heute drängenden Problemen zuwenden – und unter anderem sagen, der Kongress wisse ja, dass Deutschland sich einen ehrgeizigeren Klimaschutz wünsche und bereit sei, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Warum dann die andere Tonlage in ihrer Videobotschaft? Die richtet sich an die Deutschen. Daheim verteidigt sie ihren Ruf als Klimakanzlerin, in den USA den der verständnisvollen Partnerin. Daran hat sich trotz Globalisierung wenig geändert: Politiker reden im Ausland ein bisschen anders als zu Hause.

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