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Merkels Regierung: Ihr Weg wird kein leichter sein

Deutschland darf beleidigt sein. Diese Rede, diese Regierungserklärung der wiedergewählten Bundeskanzlerin war erstens nicht zwingend als Erklärung für die Notwendigkeit von Schwarz-Gelb, zweitens war sie in Inhalt und Form so viel schlechter als jüngst im amerikanischen Kongress.

Dort, weit weg, konnte Angela Merkel sich gut erklären; hier, im Land, das sie regiert, nicht. Sich nicht, die Politik der Koalition nicht. Wohin soll das führen?

Ökonomistisch war das, was Merkel sagte, kaum sinnstiftend. Wo es dann um den tiefen Sinn ging, widersprach es sich. Und das von ihr, der Wissenschaftlerin. Wie soll das gehen, einen Stufentarif im Steuersystem einzurichten? Nicht nur, dass der Steuerminister, Wolfgang Schäuble, sich schon – in der Sache begründet – dagegen ausgesprochen hat. Damit schlägt sie ihn, vor aller Augen, was ihr koalitionspolitisch zupasskommen mag. Aber es passt trotzdem noch nicht zum soliden Haushalten und der Schuldenbremse, die jetzt in der Verfassung steht. In der Verfassung! Woher die Milliarden für den Umbau kommen sollen, sagt die Kanzlerin nicht, übers harte Sparen, das nötig wäre, um die Vorstellungen vor allem der FDP Wirklichkeit werden zu lassen, will sie nicht reden. Das sagt sie so!

Und so geht es weiter und weiter. Es passt das eine Puzzleteil nicht zum nächsten, obwohl es doch müsste, damit ein besseres Deutschland herauskäme. Ein stärkeres, wie sie sagt. Merkel bearbeitet auch in der Rede einen Punkt nach dem anderen, aber es fehlt der große Rahmen, der Zusammenhang. Ihn zu beschwören, reicht nicht. Die Wahrheit liegt im Konkreten, hat sie dem früheren Kanzler immer vorgeworfen. Merkel sprach an einer Stelle doch tatsächlich von einer wirtschaftspolitischen Philosophie. Wenn diese Regierung eines ist, dann unterphilosophiert. Aber auch mit der mathematischen Aussagenlogik ist es so eine Sache. Die Regierung will einen strikten Wachstumskurs, strikt, wohlgemerkt. Aber nicht Wachstum um des Wachstums willen, sondern nachhaltig. Was heißt das? Konkret? Wie geht das, logisch?

Eine aseptische Regierungserklärung, das war es, alles in allem. Es kommt eine Regierung, die, von der Spitze angefangen, auch von Merkel, offenbar von Not keine Vorstellung hat. Die zu vielem keine eigene Anschauung hat. Das zeigt sich beispielhaft an der Behandlung des Themas Atom. Es ist kein Vorwurf, es ist nur so: In der DDR war Tschernobyl nicht dasselbe Thema wie in der Bundesrepublik West, schon gar nicht in physikalischen Instituten. Die Kämpfe, die damit verbunden waren und zum Ausstieg führten, forderten mindestens eine Generation heraus, im Westen; es war dieselbe, zu der die Kanzlerin gehörte – aber im Osten … Vergessen? Geschichte? Ja, wenn man eine technizistische Merkel hört. Sie bekennt sich zu 60 Jahren Bundesrepublik, ihrem Erfolg, aber wie der erreicht, errungen, erkämpft wurde, das war vor ihrer Zeit.

Die Kanzlerin hat sich nicht entschieden zwischen Leipzig und der FDP und Reaganomics auf der einen Seite und einer sozialdemokratischen Grundströmung in der Bevölkerung auf der anderen. Sie will die Menschen nicht erschrecken. Dafür kommt sie uns klinsmannsch und sagt, dieser Weg wird kein leichter sein. Wie wahr. Diese Regierung will alles schaffen und muss dabei aufpassen, dass sie nicht Deutschland schafft. Denn die Krise, hat die Bundeskanzlerin gesagt, kommt erst noch. Die neue Regierung gerät mitten hinein.

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