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Bei einer Anti-Putin-Demo im Mai 2012 in Moskau wird ein Mann von zwei Polizisten festgenommen. Ein halbes Jahr nach den blutigen Unruhen gegen Kremlchef Wladimir Putin ist ein erster Teilnehmer zu viereinhalb Jahren Haftverurteilt worden.

© dpa

Merkels Russlandreise: Klare Worte im Gepäck

Der Bundestag hat eine Resolution für eine neue Russlandpolitik verabschiedet: weg von der Kumpelpolitik, hin zu einem schärferen Kurs. Kommenden Freitag reist Angela Merkel nach Moskau. Sie sollte die Resolution ernst nehmen und konsequent danach handeln.

In anderen europäischen Hauptstädten blickt man in diesen Tagen erstaunt nach Berlin. Was ist da los in der deutschen Außenpolitik? Der Bundestag hat am späten Freitagnachmittag einen Kurswechsel in der deutschen Russlandpolitik beschlossen. Sollten gerade die Deutschen, die vor nicht allzu langer Zeit noch eine Kumpeldiplomatie mit Moskau pflegten und auch später als wichtigste Partner Russlands in der Europäischen Union galten, nun die Ersten sein, deren Abgeordnete nach der Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml klare Worte Richtung Moskau senden?

Die sechsseitige Resolution, die im Bundestag ohne Gegenstimme angenommen wurde, vollzieht nicht nur die endgültige Abkehr von einer Russlandpolitik, wie sie Gerhard Schröder als Kanzler und später Frank-Walter Steinmeier als Außenminister der großen Koalition pflegten. Sie sendet auch ein starkes Signal, denn an diesem Freitag reist Kanzlerin Angela Merkel nach Moskau. Für diesen Besuch haben nun die Abgeordneten selbst den Ton vorgegeben.

Im Umgang mit mehr oder weniger autoritären Staaten war es bisher auch für deutsche Kanzler gängige diplomatische Praxis, eine Liste mit Namen von inhaftierten Regimegegnern auf die Reise mitzunehmen, im Gespräch mit dem Staatschef den einen oder anderen Fall zu erwähnen und anschließend gemeinsam vor die Kameras zu treten, bemüht, die heiklen Themen wegzulächeln.

Diesmal haben die Abgeordneten von Merkels Koalition in ihrer ganz und gar nicht diplomatischen Resolution alle heiklen Themen schon vor der Reise offen auf den Tisch gelegt, und sie haben selbst Namen genannt, viele Namen.

Innerhalb nur eines halben Jahres hat die russische Führung mit einer Reihe von Gesetzen systematisch die Bürgerrechte eingeschränkt und zugleich deutlich gemacht, dass sie andere Staaten gerade nicht als Partner wahrnimmt, sondern als Gegner, als feindliches Ausland. So ist Russland in Putins dritter Amtszeit in längst überwunden geglaubte Muster zurückgefallen. Derartige Repressionen gegen Kritiker gab es seit dem Ende der Sowjetunion nicht mehr.

Eine realistische deutsche Außenpolitik darf vor diesen Rückschritten nicht die Augen verschließen und sich auch von scharfen Tönen aus Moskau nicht daran hindern lassen, die Probleme zu benennen und die Kontakte mit der liberalen Opposition und der russischen Gesellschaft insgesamt auszubauen. Deutschland und Russland brauchen einander – daran ändern auch offene Worte nichts. Dass diese Haltung in Berlin keineswegs selbstverständlich ist, hat ausgerechnet das Auswärtige Amt bewiesen, das die Kritik an Moskau abzuschwächen suchte. Doch die Abgeordneten verschärften zentrale Passagen wieder – sicher nicht ohne Billigung des Kanzleramts.

Angela Merkel hat zu Beginn ihrer ersten Amtszeit gezeigt, dass sie andere Akzente setzt als ihr Vorgänger, sie hat sich in Moskau demonstrativ mit Bürgerrechtlern getroffen. Doch konsequent weiterverfolgt hat sie diesen Ansatz danach nicht. Deutschland und die gesamte EU hatten bisher keine echte Strategie für die Zusammenarbeit mit Russland. Der Beschluss vom vergangenen Freitag könnte nun den Beginn einer neuen Russlandpolitik markieren – aber nur, wenn die Bundesregierung ihn auch wirklich ernst nimmt und dabei auch die Partner in der EU von diesem Kurs überzeugt. Es wird höchste Zeit für einen echten Dialog mit Russland, der mehr ist als ein Zwiegespräch mit Wladimir Putin.

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