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Meinung: Metropole fürs Prekäre

Von Werner van Bebber

Nun kommt die Zeit der Wetten: Geht Rot-Rot II über die ganze Legislaturperiode? Oder wird nach zwei Jahren die Genossen-Basis die Pragmatiker und Realos aus dem Senat zurückpfeifen? Bei linken Parteien gibt es ja stets die Tendenz, in der Opposition an neuen „Visionen“ zu arbeiten, und der Landesparteitag der PDS hat gezeigt: Euphorie darüber, dass man überhaupt mal ein paar Posten in der Exekutive übernehmen kann, ist nicht mehr zu spüren. Sei’s drum: Erst mal haben sich die Macher gegenüber den Visionserfindern durchgesetzt. Auch wenn sie es selbst so nicht sehen wollen: Die Devise lautet jetzt „Weiter so“.

Ob dieses Bündnis eine Zukunft hat, die der Stadt etwas bringt und bundespolitisch zumindest für Linke attraktiv bleibt, steht dahin. Die Koalitionsverhandlungen ließen diesen Schluss nicht zu. Uninspiriert geht es weiter: Die SPD bleibt fixiert auf Klaus Wowereit und dessen Mischung aus linkem Pragmatismus und der Fähigkeit, Politik wenigstens ein bisschen sexy erscheinen zu lassen; die PDS in der üblichen Spannung zwischen Träumen und Tun. Symbol-Vorhaben wie die Gemeinschaftsschule sind wichtiger als neue Konturen in der Politik. Doch sind andere Landesregierungen da so anders?

Finsterer muss die Orientierung dieses Bündnisses an der Armut als wichtigstem Thema zumindest Teile des Publikums stimmen. Rot-Rot II hat sich darauf verständigt, dass die linke Interpretation von sozialer Gerechtigkeit der Treibstoff der Berliner Politik für fünf Jahre sei. Viele in der Stadt werden das richtig finden – ob es die sind, die Berlin etwas weiter nach vorne bringen, darf bezweifelt werden. Rot-Rot II mag für das Schönreden der Umverteilung immer neue Begründungen finden. SPD und PDS mögen auch stolz darauf sein, immerhin 2500 Menschen in einem neuen öffentlichen Beschäftigungssektor eine Lebensperspektive zu schaffen. So etwas sollte man nicht gleich klein reden. Was dieser Politik und ihren Protagonisten fehlt, ist jedes bisschen von – pardon: bürgerlichem – Ehrgeiz. Oskar Lafontaine predigte den Genossen in schönster Salonsozialistenmanier von den Nöten des neuen „Prekariats“, dessen Ansprechpartner man sein müsse. Niemandem ist auf Dauer geholfen, wenn Rot-Rot II Berlin zur Hauptstadt dieses Prekariats macht.

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