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Meinung: Miesmacher gesucht

Schröder will sich gegen die Grünen als Innovator profilieren – doch die bleiben cool

Von Hans Monath

Geschichte wiederholt sich nicht. Auch nicht bei Parteien, die gemeinsam eine Regierung bilden. Manchmal taucht die Vergangenheit aber wie ein böses Gespenst wieder auf. So sehen sich einige ökologisch bewegte Politiker zum Jahreswechsel wieder an die Konstellation der 70er und 80er Jahre erinnert. Damals wurden die Grünen gegründet – gegen eine SPD, die mit einem partiell blinden Fortschrittsglauben keine Heimat bot für die Vertreter eines Zeitgeistes, der überall Gefahren sah. Das Symbolthema dieses Konflikts war die Großtechnologie der Atomkraftwerke. Die Ökologen zweifelten am Zukunftsmantra der SPD, das lautete: Fortschritt ist gut, Fortschritt ist machbar, jeder Fortschritt mehrt unseren Wohlstand.

Heute sammeln manche Grüne wieder Anzeichen dafür, dass der große Partner blind auf Wachstum setzt, jede risikoreiche Technologie nutzen und jedes fragwürdige Geschäft abschließen will. Muss auch der Handel mit Nukleartechnik und Waffen erlaubt sein, um auf dem Weltmarkt wieder konkurrenzfähig zu werden? Die Stichworte für einen solchen Verdacht liefert der Kanzler selbst. Forsch verkündet er etwa auf einer Reise nach China, er wolle das Waffenembargo gegen das Land aufheben. Und: Es gebe keine Handhabe, die Lieferung potenziell gefährlicher deutscher Atomtechnologie in das Land zu untersagen.

Mit einer gewissen Penetranz und offensichtlich mit Bedacht mäkelt Schröder auch zum Jahresauftakt gegen den großen Konsens des Bundestags zum Umgang mit Stammzellen und zum Schutz von Embryonen. Noch sind das nur Nadelstiche, denn bislang hat Schröder nur angedeutet, aber nicht klar dargelegt, welche gesetzlichen oder gesellschaftlichen Widerstände auf diesem Feld seiner Meinung nach eine bessere Zukunft für das Land verhindern. Aber die Botschaft kommt an, ohne dass sie explizit ausgesprochen wird. Sie lautet: Ohne allzu viel Bedenken, ohne diese ethischen Hemmnisse wären wir schon viel weiter.

Wären wir das? Vielleicht lohnte es sich darüber zu streiten, wenn der Kanzler sich erklären würde, statt nur eine Symboldebatte anzuzetteln. Der große Krach ist aber bisher ausgeblieben. Nur einige Fachpolitiker der Grünen haben vor einer Aufweichung sozialer, ökologischer und ethischer Standards gewarnt. Die Spitzenpolitiker der Partei aber vermieden es ziemlich geschlossen, sich nach einem starren Reiz-Reaktions-Schema zu verhalten. Sie haben kein Interesse daran, eine tragende Rolle in einer Inszenierung zu spielen, in der Schröder den großen wirtschaftlichen Beweger abgeben darf, der von bornierten Blockierern und grünen Nein-Sagern am Durchbruch gehindert wird.

Es mag ein Ausdruck politischer Klugheit und Reife sein, die positive Botschaft (Ja zu Innovation und Wachstum) stärker zu gewichten als die Bedingungen, die man daran knüpft (Innovation und Wachstum sollen nachhaltig sein). Denn auch die Grünen wollen in diesem Jahr in der Innovations-Initiative der Koalition als Beweger wahrgenommen werden. Vor 25 Jahren galt: Wir verweigern uns dem Fortschritt, wir sind alle dem Untergang geweiht, wenn wir nicht umkehren oder zumindest schmerzvoll auf Wohlstand verzichten. Heute soll die Botschaft der Grünen lauten: Wir können ökonomisch alle nur gewinnen und ein besseres Leben haben, wenn wir ökologisch wirtschaften.

Nur ist solche Zurückhaltung auch ziemlich risikoreich für die Grünen. Es geht nicht nur um Profil, sondern auch um ihren Anspruch als politisch unverzichtbare Kraft. Wer wirklich Einfluss und eigene Ziele hat, muss beweisen, dass er sie im Konflikt mit Schröder auch erfolgreich durchsetzt. Und das, ohne als Miesmacher dazustehen.

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