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Meinung: Mit beschränkter Hoffnung

Ohne Pakistan steht die Afghanistankonferenz in Bonn unter schlechten Vorzeichen.

Von Michael Schmidt

Der Pakistaner ist ängstlich, misstrauisch, mit einer Neigung zur Paranoia, offen für Verschwörungstheorien. Darf man das so pauschal sagen?

Man darf. Wenn man sich bewusst bleibt, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt, dann darf, ja muss man feststellen: Der Pakistaner, vom Straßenhändler bis zum Minister, ist geradezu obsessiv um seine Sicherheit besorgt. Das Land, eines der hochgerüstetsten und bevölkerungsstärksten der Welt, mag anderen als eines der gefährlichsten erscheinen – den mehr als 170 Millionen Pakistanern gilt es als eines der gefährdetsten. Und haben sie nicht recht?

Das zweitgrößte islamische Land der Welt ist ein Pulverfass, eine Gesellschaft am Abgrund zu Bürgerkrieg und Chaos. Es herrschen Gewalt, Terror, Willkür. Zahlreich sind die innenpolitischen Konflikte. An allen Ecken und Enden des Landes streben Provinzen und Regionen nach Autonomie. Militante Islamisten kämpfen mit der säkularen Restgesellschaft. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird eher größer als kleiner.

Als ebenso bedrängend wird die außenpolitische Lage empfunden. Man fühlt sich schwach, eingeengt, bedroht. Besonders von Indien. Der ungeliebte Bruder ist größer und mächtiger und deshalb Dreh- und Angelpunkt aller geostrategischen Überlegungen Islamabads. Kein außenpolitisches Problem, das nicht unter diesem Gesichtspunkt gesehen würde. In Afghanistan engagiert man sich nicht zuletzt aus Angst, von Indien eingekreist zu werden. Mit anderen Worten, um den indischen Einfluss in Kabul nicht zu groß werden zu lassen, ja um, noch weiter gedacht, einen Rückzugsraum zu haben – im Falle eines Krieges mit Indien.

Man sieht, die knappste Ressource in diesem ressourcenarmen Land ist Vertrauen. Das macht es zu einem so schwierigen Partner. Ein Partner, der kein Problem damit hat, Milliarden Dollar an Entwicklungshilfe und für Rüstungsausgaben anzunehmen – und zugleich rhetorisch auf Konfrontationskurs zum Westen zu gehen. Zumal der dem grassierenden Misstrauen ständig neue Nahrung gibt: mit Drohnenangriffen, der Tötung Osama bin Ladens ohne Absprache – und jüngst der Helikopterattacke auf einen pakistanischen Grenzposten. Die Regierung in Islamabad musste reagieren. Und sie hat reagiert. Schon um sich innenpolitisch nicht dem Verdacht auszusetzen, eine Marionette des Westens zu sein, die willfährig Verletzungen der nationalen Souveränität hinnimmt, galt es, ein Zeichen zu setzen. Das ist erfolgt. Nun hat Islamabad die Teilnahme an der Bonner Afghanistankonferenz abgesagt. Damit bleibt der Stuhl der wichtigsten Regionalmacht leer.

Vor allem Guido Westerwelle wird sich grämen. Und er hat allen Grund dazu, genau wie die Vertreter der anderen rund 100 Teilnehmerländer. Denn was immer der Bundesaußenminister am kommenden Montag als Ergebnis präsentieren wird – es steht unter Vorbehalt. Der Frage nämlich, was Pakistan dazu sagen wird. Man denke zum Beispiel an: Friedensgespräche mit den Taliban. Ohne Vermittlung Pakistans? Unmöglich.

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