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Meinung: Mit Dank an die Piraten

Ausgerechnet: Union und FDP einigen sich fast geräuschlos bei der inneren Sicherheit. Die Piratenpartei ist daran nicht unschuldig.

Von Robert Birnbaum

Koalitionsverhandlungen sind immer mal für Überraschungen gut. Eine ist Wolfgang Schäuble und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gelungen: Ausgerechnet im Gebiet der Innen- und Rechtspolitik legen die Verhandlungsführer von Schwarz und Gelb ein lückenloses Kompromisspapier vor.

Das sticht umso mehr heraus, als andere, weit weniger durch Grundsatzdifferenzen belastete Arbeitsgruppen nicht so weit gekommen sind. Schäuble und Leutheusser können ihren Chefs melden: Ihr braucht nur gegenzuzeichnen. Chefs mögen Mitarbeiter, die ganze Arbeit leisten. Für eine künftige Justizministerin ist das ein Empfehlungsschreiben, für einen Innenminister, der es gerne bleiben würde, erst recht.

In der Sache haben beide einen interessanten Kompromiss erzielt. Die FDP hat mehr Datenschutz und mehr Schutz der Privatsphäre durchgesetzt. Die Union hat ihre großkoalitionär erfochtenen Positionen trotzdem im Kern gehalten und das Jugendstrafrecht deutlich verschärft.

Übersetzt heißt das: Die Gelben können ihrer Wählerschaft aufrecht gegenübertreten und sich eine atmosphärische Entspannung in der inneren Sicherheit gutschreiben. Die Schwarzen können ihrer konservativen Klientel an einem Symbolpunkt harte Hand demonstrieren und sich als Sachwalter einer strengen, aber nicht eifernden Sicherheitspolitik präsentieren.

Vor allem in diesem letzten Punkt liegt für Schäuble einiger Charme. Der Mann war bisher auf dem besten Wege, zum Buhmann der Internetgemeinde zu werden. Dass er Leutheusser mit sich reden lässt, entschärft dieses Profil ein bisschen. Da spielt die Sorge in der Volkspartei CDU mit, den Anschluss an eine ganze kommende Generation zu verlieren, die sich überraschend schnell und schlagkräftig politisiert hat. Frau Leutheusser kann sich also bei den „Piraten“ bedanken, die waren ihre heimlichen Verbündeten.

Vom Triumph ist die FDP auch auf diesem Feld allerdings weit entfernt. Die Onlinedurchsuchung von Computern wird nicht ausgeweitet – aber sie bleibt. Ermittler dürfen auf Telefon- und Internetvorratsdaten nur bei schwersten Straftaten zugreifen – aber das Thema kommt wieder auf den Tisch, sobald das Verfassungsgericht entschieden hat. Im BKA-Gesetz wird die engste Privatsphäre besser geschützt – aber auch dieses Gesetz bleibt. Nicht jeder, der Menschen aus dem Ausland einlädt, landet in einer Visa-Warndatei – aber es wird eine Datei geben für Einlader, die bei Missbrauchsfällen auffallen. Ob das Löschen von Kinderpornoseiten im Internet wirklich hilft, wird nach einem Jahr überprüft.

Mit anderen Worten: Im Kleingedruckten steht genug Relativierung, um frischen Streit für eine ganze Wahlperiode zu garantieren. Und mit „Warnschussarrest“ und 15 Jahren Jugendstrafe für Mord statt bisher zehn zahlen die Liberalen einen symbolisch nicht kleinen Preis für das Entgegenkommen. Ein Neuanfang in der inneren Sicherheit ist das nicht. Ein kleiner Klimawandel ist es schon.

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