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Meinung: Mit Härte zum Erfolg

In Algerien geht es um die Rettung der Geiseln – und einen Sieg über den Terror

Von Frank Jansen

Dieses Wechselbad ist nur schwer zu ertragen. Erst kommen Meldungen, die Geiseln in Algerien seien befreit, dann die Dementis. Die Angehörigen der gekidnappten Deutschen, Schweizer und des Niederländers machen furchtbare Stunden durch. Dennoch scheint die Hoffnung nicht vergebens, dass auch die zweite Gruppe der Geiseln frei kommt, unversehrt wie die erste vor einer Woche. Nicht nur die Familien in der Heimat wären erleichtert. Die Bevölkerung in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden könnte aufatmen. Und der islamistische Terrorismus hätte eine empfindliche Niederlage erlitten. Es wäre ein wichtiges und notwendiges Signal, gerade nach den Anschlägen in Marokko und Saudi-Arabien.

Die geglückte Befreiung in der vergangenen Woche zeigt doch: Es ist möglich, den militanten Islamismus zumindest punktuell zu stoppen – selbst da, wo er auf Sympathien in der Bevölkerung zählen kann und eine zerklüftete, unwegsame Landschaft natürlichen Schutz vor den Sicherheitskräften bietet. Diese haben das Risiko einer gewaltsamen Befreiung gewagt. Auch wenn unklar bleibt, wie sehr die Spezialkräfte dabei das Leben der Geiseln gefährdet haben und jetzt möglicherweise wieder gefährden, scheint der Wagemut der Algerier gerechtfertigt.

Vielleicht ist es auch deutschen Experten gelungen, das Risiko gewaltsamer Operationen zu mindern. Erfahrene Beamte der Spezialeinheit GSG 9 und des Bundeskriminalamts halten sich seit Wochen in Algerien auf. Auch wenn das Ausmaß der Kooperation wohl geheim bleiben wird, ist das zu vermutende Zusammenwirken auch ein positives Signal. Sicherheitskräfte verschiedener Länder nehmen trotz unterschiedlicher Standards und Einsatzphilosophien gemeinsam den Kampf gegen den Terrorismus auf. Die algerischen Sicherheitsbehörden neigen zu brutalem Vorgehen, oft ohne Rücksicht auf Opfer. Deutsche Sicherheitskräfte versuchen, möglichst das Leben Unschuldiger zu schonen. Bei den beiden Aktionen zur Befreiung der Geiseln in Algerien scheint hartes Eingreifen mit professioneller Umsicht kombiniert worden zu sein. Vielleicht werden auf diese Weise terroristische Gruppen von Geiselnahmen abgeschreckt. Die überrumpelten Kidnapper in Algerien können jedenfalls bislang keinen „Erfolg“ vorweisen.

Vor drei Jahren lief es anders. Das von der Terrorgruppe Abu Sayyaf auf die philippinische Insel Jolo verschleppte Ehepaar Wallert kam erst frei, nachdem reichlich Lösegeld gezahlt worden war. Obendrein musste Deutschland sich bei Libyens Diktator und früheren Terrorpaten Gaddafi bedanken, der in der Geiselaffäre vermittelt hatte. Da ist der Einsatz in Algerien vielleicht weniger anrüchig, auch wenn er kein Patentrezept darstellt. Aber die Lehre ist klar: Erscheint gewaltsames Eingreifen gegen islamistische Fanatiker möglich, sollte es riskiert werden.

Ein Erfolg entließe die algerische Regierung jedoch nicht aus der Pflicht, über die Ursachen des Bürgerkrieges nachzudenken. Seit vor elf Jahren das Militär Wahlen abbrach, weil sich ein Sieg der islamistischen „Heilsfront“ abzeichnete, kommt Algerien nicht zur Ruhe. Der Terror ist weitgehend das Produkt eines Regimes, das als korrupt und machtbesessen gilt – und wenig gegen das Elend der Bevölkerung unternimmt.

Vielleicht könnte die deutsche Diplomatie jetzt die Gelegenheit nutzen, nach dem Angebot der Hilfe durch GSG 9 und Bundeskriminalamt auch politische Unterstützung für eine Demokratisierung anzubieten. Es wäre zum Nutzen Algeriens und der Bundesrepublik. Eine langfristige Strategie zur Befriedung der Wüstenrepublik könnte dort dem militanten Islamismus den Nährboden entziehen – und den Tourismus retten, einen der wichtigsten Wirtschaftszweige. Dann würden auch Reisende aus Deutschland gerne wieder in die Wüste fahren.

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