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Meinung: Mit sich selbst verhandelt Das Verfassungsreferendum in Tschetschenien kommt zu früh

Die beste Absicht verkehrt sich in ihr genaues Gegenteil, wenn die Mittel zu ihrer Durchsetzung fragwürdig sind und die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Das gilt ohne Abstriche auch für die neue tschetschenische Verfassung, die 537 000 Stimmberechtigte heute per Referendum bestätigen sollen – angesichts des fortdauernden Guerillakrieges unter dem Schutz von etwa 80 000 russischen Soldaten, die teilweise selbst Stimmrecht haben, und 12 000 tschetschenischen Milizionären.

Die beste Absicht verkehrt sich in ihr genaues Gegenteil, wenn die Mittel zu ihrer Durchsetzung fragwürdig sind und die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Das gilt ohne Abstriche auch für die neue tschetschenische Verfassung, die 537 000 Stimmberechtigte heute per Referendum bestätigen sollen – angesichts des fortdauernden Guerillakrieges unter dem Schutz von etwa 80 000 russischen Soldaten, die teilweise selbst Stimmrecht haben, und 12 000 tschetschenischen Milizionären.

Die Annahme einer neuen Verfassung kann nicht, wie Putin sich und dem Rest der Welt einredet, Anfang des politischen Prozesses in der Rebellenrepublik sein, sondern nur dessen Abschluss. Voraussetzung dafür ist ein Konsens aller politisch relevanten Kräfte. Doch die Separatisten, die nach wie vor auf Unterstützung großer Teile der Bevölkerung rechnen können, bleiben beim Verfassungsprozess ebenso außen vor wie bei den für Anfang kommenden Jahres geplanten Wahlen: Statt mit dem Gegner verhandelt Putin mit der von ihm eingesetzten Verwaltung und so mit sich selbst.

Wirkliche Alternativen stehen ohnehin nicht zur Debatte. Mit dem vom Kreml redigierten Grundgesetz soll die Zugehörigkeit Tschetscheniens zur Russischen Föderation für alle Zeiten in Stein gemeißelt werden – zu Bedingungen, die allein Moskau diktiert.

Versprechungen weit gehender innerer Autonomie, mit der sich die letzten Zaren Ruhe im Kaukasus erkauften, sind pure Demagogie. Sie betreffen, wie der Entwurf eines Vertrages zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen dem Zentrum und der Tschetschenen-Republik erkennen lässt, vor allem Förderung von und Durchleitungsgebühren für Öl, damit Grosny den Wiederaufbau selbst finanzieren kann. Beides ist traditionell eine Futterkrippe für die jeweilige Führung der Republik, und auch das ist durchaus beabsichtigt, weil objektiven Zwängen geschuldet: Die Loyalität von Verwaltungschef Ahmed Kadyrow, der im ersten Tschetschenienkrieg auf Seiten der Rebellen war, steht und fällt mit der Moskauer Erlaubnis für seinen Clan, sich selbst zu bedienen.

Doch Moskaus Personaldecke in Tschetschenien ist so dünn wie die der Amis in Afghanistan und künftig wohl auch im Irak. Die „Präsidenten“ sind kaum mehr als Bürgermeister der Hauptstädte, ihre einzige Macht stützt sich auf die Gewehrläufe der jeweiligen Schutztruppe. Fememorde an „Kollaborateuren“ sind tägliche Realität.

Doch Putin muss bei Strafe des politischen Untergangs die Flucht nach vorn antreten. Die Wahl im März 2000 gewann er vor allem, weil er versprach, den tschetschenischen Brandherd auszutreten. Knapp ein Jahr vor der Wiederwahl ist er davon aber genauso weit entfernt wie zuvor. Dazu kommt, dass ehrliche Bemühungen Russlands um eine Verhandlungslösung der Irak-Krise angesichts der Unfähigkeit, Konflikte im eigenen Hause friedlich beizulegen, nicht glaubwürdig sind.

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