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Meinung: „Mitunter werde ich Bomben werfen“

Seit der Kongresswahl durfte Amerika sich an eine neue politische Rhetorik der Harmonie gewöhnen. Der Sieg der Demokraten zwingt Präsident Bush zu überparteilicher Kooperation.

Seit der Kongresswahl durfte Amerika sich an eine neue politische Rhetorik der Harmonie gewöhnen. Der Sieg der Demokraten zwingt Präsident Bush zu überparteilicher Kooperation. Doch heute kehren die scharfen Töne zurück, der Senat tagt noch mal in alter Zusammensetzung mit republikanischer Mehrheit, der neue konstituiert sich im Januar. Bush will das nutzen, um sich doch noch seinen umstrittenen UN-Botschafter John Bolton und das Abhörprogramm ohne richterliche Genehmigung absegnen zu lassen.

Doch da ist Harry Reid vor, Fraktionschef der Demokraten, bisher Minderheits- und bald Mehrheitsführer im Senat. Der schmächtige 66-jährige Mormone sieht aufs Erste wie ein harmloser Großvater aus. Doch er ist einer der härtesten Kämpfer im Kongress und beherrscht alle Tricks der Geschäftsordnung. Kürzlich verblüffte er die Republikaner bei der Beratung der Antiterrorgesetze. Reid erzwang den Ausschluss der Öffentlichkeit und durchkreuzte so die Absicht, die Demokraten als „weich“ gegen Terroristen vorzuführen. Er sei „der Unscheinbare mit der kurzen Geraden“, heißt es. Und er habe ein „stählernes Knochengerüst“.

Das Leben hat ihn abgehärtet. Er stammt aus dem Bergbaustädtchen Searchlight im Wüstenstaat Nevada und trampte angeblich jeden Tag 65 Kilometer zur High School. Der Vater litt unter Trunksucht und Depression und beging Selbstmord. Das Jurastudium in Washington finanzierte Reid durch Nachtarbeit als Polizist im Capitol. Mit 28 wurde er in den Landtag von Nevada gewählt. Als Vorsitzender der Kommission für Spielcasinos legte er sich mit dem organisierten Verbrechen an; eines Morgens fand seine Frau eine Bombe unter dem Auto. Als Nevada dank des starken Zuzugs, vor allem nach Las Vegas, 1980 einen zweiten Sitz im US-Kongress bekam, gewann Reid die Wahl. 1986 wechselte er in den Senat. Dreimal haben sie ihn seither für je sechs Jahre wiedergewählt.

Er hat starke Überzeugungen, der Kongress soll die Regierung kontrollieren. Er ist „nicht der Ort für Küsse und Umarmungen.“ Als Mehrheitsführer wolle er „mitunter Bomben werfen, mitunter konziliant sein“. Vor dem Mittagessen mit Bush am Freitag kommentierte Reid trocken, er könne sich nicht erinnern, wann Bush ihn zuletzt ins Weiße Haus eingeladen habe. „Ich hoffe, das ändert sich.“ Er ist ein Skeptiker. Den Wahlsieg hatte er den Demokraten „im Kopf zugetraut, nicht aber im Herzen“. Da wurde er mal positiv überrascht.

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