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Meinung: Modell Petersberg

Aufgabe einer Generation: Die Berliner Konferenz sichert Afghanistans Zukunft

Von Hans Monath

Präsident Hamid Karsai ist eine Art Star der internationalen Politikszene. Seine selbstbewusste Freundlichkeit hat fast vergessen gemacht, welche kniffligen Aufgaben die Afghanistan-Konferenz in Berlin zu lösen hatte. Es ging um harte Interessen, die Bereitschaft zur Übernahme weiterer Lasten durch andere Staaten und um neue gefährliche Aufgaben für die Schutztruppe, die auch die Wahlen sichern soll. Es ist ziemlich schwer, ein durch Krieg und Bürgerkrieg ruiniertes Land zu sanieren, das noch immer Rückzugsräume für islamistische Terroristen bietet und dessen Bewohner heute die weltweit größte Opiumproduktion betreiben.

Trotzdem ist es in Berlin gelungen, die Aussichten für die Zukunft Afghanistans weiter zu verbessern. Schon lange hatte Kabul mehr Finanzhilfe erbeten. In Berlin wurde sie zugesagt. Schon lange hatten Karsai und die Vereinten Nationen die Ausweitung des Isaf-Einsatzes über Kabul hinaus gefordert – am liebsten auf alle Provinzen, um die Autorität der Zentralregierung zu stärken. Doch erst zweieinhalb Jahre nach der ersten Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg gibt es einen deutlichen Schub nach vorn: Wie die Nato-Staaten scheinen nun mehrere Länder bereit zu sein, ihre Missionen aufzustocken und die Zahl der Aufbauteams mit militärischen und zivilen Aufgaben zu erhöhen.

Das entspringt der Einsicht, dass nur der frei wählen kann, der nicht bedroht wird und so eine echte Wahl hat. Regionale Warlords zeigen kein Interesse, ihre Macht mit Kabul zu teilen. Der zweite Grund, warum die Antwort auf die Phase der Stagnation so lange dauerte, ist der Umstand, dass seit Sommer 2002 auch die Länder mit dem Irakkonflikt beschäftigt waren, die Bushs Krieg für falsch hielten.

Zeitweise befürchteten Verbündete wie die Deutschen, die USA könnten wegen des Engagements im Irak ihr Interesse an Afghanistan ganz verlieren und ihre Truppen dort bis zur Wirkungslosigkeit schwächen. Die Furcht war unbegründet, die Amerikaner blieben präsent. Doch erst nach dem Irakkrieg sind sie nun bereit, ihre Finanzhilfen zu verdoppeln und mehr Soldaten zu schicken. Dass „nation building“ am Hindukusch unverzichtbar ist, scheint der US-Regierung erst in den Mühen des irakischen Nachkriegsprozesses voll bewusst geworden zu sein. Auch deshalb loben Präsident Bush und sein Außenminister nun das ungebrochene deutsche Engagement für Afghanistan als Beitrag zu Amerikas Sicherheit. So befürchtet in Berlin auch niemand mehr, von Washington mit Truppen-Anfragen für Bagdad in Verlegenheit gebracht zu werden.

Von seiner Kultur, seiner Geografie und mit seinen vielen Ethnien und Nachbarn ist Afghanistan ein unvergleichliches Land. Aber trotzdem ist der Wiederaufbau, an dem in Berlin gearbeitet wurde, auf dem Weg, zu einem Modell zu werden: Diplomaten sprechen in Anspielung auf den Ort der ersten Afghanistan-Konferenz von einem „Petersberg type process“ – einem Stabilisierungsprozess, der unter UN-Regie mit Rücksicht auf örtliche Traditionen einen Ausgleich zwischen den Ethnien eines zerstörten Landes organisiert und alle Nachbarstaaten in die Bemühungen einbindet. Diesen Ansatz hat die Berliner Konferenz verfolgt, indem sie die Anrainer Afghanistans dazu bewegte, sich zur Blockade des Drogenhandels zu verpflichten. Zu den Nachbarn gehört nicht nur der fragile US-Verbündete Pakistan, sondern auch Iran, das ein eigenes Interesse an der Schließung der Drogengrenze zu Westafghanistan hat und in dieser Sache gerne mit Amerika an einem Strang zieht.

Eines hat Berlin freilich auch gezeigt: Wenn der Prozess des Wiederaufbaus denn tatsächlich ein Erfolg und damit zu einem Modell werden sollte, braucht er Zeit, viel Zeit. „Nation building“ ist eine Aufgabe, die der Anstrengungen fast einer ganzen Generation bedarf. Weshalb vielleicht auch noch in zehn Jahren Bundeswehrsoldaten in Kabul oder Kundus Dienst tun müssen.

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