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Mon BERLIN: Bruchpiloten an der Macht

Niemand in Frankreich wird so geliebt wie Louis de Funès. Er würde sofort zum Staatspräsidenten gewählt werden - wie Loriot vermutlich in Deutschland.

Guck mal! Es ist doch Louis de Funès!“, schrie ein kleiner Franzose, als er Nicolas Sarkozy bei einem Fernsehinterview entdeckte. Der Kleine saß vor einer Cola und neben seinem Vater in einem Pariser Café. Der Präsident der Republik war gerade auf dem gigantischen Bildschirm über der Theke erschienen. Auf dem präsidialen Gesicht Tics, Grimassen, Augenrollen. Auf dem Schreibtisch im Elysée ein Händepaar, das mit seinem Gestikulieren an Windmühlenflügel im Sturm denken ließ.

Die Zeiten sind vorbei, in denen eine solche Frechheit dem Kind eine ordentliche Ohrfeige seines Vaters eingetragen hätte. Den nationalen Hofnarren mit dem Staatschef zu vergleichen, unerhört! Autoritätsfiguren sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Aber so absurd ist der Vergleich nun auch wieder nicht. Im Gegenteil. Zwischen dem größten französischen Komiker und dem Präsidenten, der sich an seinen Fauteuil klammert, besteht eine gewisse Ähnlichkeit. Fragt sich nur, wer von den beiden sich durch den Vergleich beleidigt fühlen darf.

Als ich meinen Kindern vor ein paar Jahren die Filme von Louis de Funès zeigte, war ich überzeugt, dass die Spitzen, die mich in den 70er Jahren im Kino Bristol in hemmungsloses Gelächter hatten ausbrechen lassen, an ihnen abprallen würden wie an einem Marmorblock aus Carrara. Ein kleiner Berliner von heute ist ein ganz anderes Kaliber gewöhnt, wahrscheinlich würden sie nur blasiert mit den Schultern zucken. Was will sie bloß mit diesem hektischen kleinen Franzosen, mit seinem Gebrummel und seinen ständig wiederholten Ohrfeigen? Nicht cool! Völlig out! Welche Überraschung also, dass meine Kinder und ihre deutschen Freunde Beifall klatschten, die Gesichter verzerrt, Lachtränen in den Augen. Mit der gleichen bedingungslosen Begeisterung sahen sie sich Dutzende von Malen „Scharfe Sachen für Monsieur“ und „Drei Bruchpiloten in Paris“ an.

Seltsamerweise erweckt Louis de Funès in mir ein tiefes Gefühl der Zugehörigkeit. Ja sogar, und ich wage das überaus hochtrabende und feierliche Wort kaum zu benutzen, ein Gefühl nationaler Identität. Denn diesseits und jenseits der Grenze lacht man nicht auf die gleiche Weise. Nehmen Sie die Engländer, die Meister der Selbstironie und des melancholischen Lachens. Keine Rede im House of Commons, dem Parlament, kein Geschäftsessen, keine Liebeserklärung ohne Humor. In jedem rhetorischen Manöver ist der Humor die Waffe, mit der man ins Schwarze trifft. Ein Beweis für Esprit, geistige Beweglichkeit, Toleranz, Seelengröße. Ein sehr hoch geschätztes Gut.

Und in Deutschland? Nein, ich will keins der alten Klischee aus der Tasche ziehen. Sie kennen sie nur zu gut. Der Humor ist kein Charakterzug, bei dem man automatisch an die Deutschen denkt. Wenn man im Bundestag oder bei einer Vorstandssitzung zu witzig ist, riskiert man, als Hallodri, als Nichtsnutz, als wenig vertrauenswürdig eingeschätzt zu werden. Nirgendwo sonst hatten ganze Generationen von Eltern die ausgefallene Idee, ihren kleinen Jungen „Ernst“ zu taufen. Seinen Sohn „sérieux“ zu nennen? Was für eine komische Idee. Ein schweres Handicap im Kampf gegen die Turbulenzen des Lebens. Ist nicht das Lachen der Schutzwall, der uns vor unseren Abgründen bewahrt? Man lachte in den Luftschutzkellern, wie mir kürzlich eine alte Frau erzählte. Man lachte sogar sehr viel, um die Angst zu vertreiben.

Eins ist gewiss: Würde man die Popularität von Komikern und Politikern miteinander vergleichen, würden Erstere sich in unseren beiden Ländern ganz sicher am oberen Ende der Skala behaupten. In seinem Land wird kaum jemand so geliebt wie Louis de Funès. Mehr als de Gaulle, mehr als Pompidou, mehr als Mitterrand und ganz sicher mehr als Sarkozy. Es ist anzunehmen, dass ein Politiker große Chancen hätte, nächstes Jahr die Wahlen in Deutschland zu gewinnen, wenn er Loriot ähnlich sehen würde. „Pappa ante Portas“ und „Der Gendarm von Saint Tropez“ – ein schönes deutsch-französisches Tandem, das der Politik-Verdrossenheit abhelfen könnte!

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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