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Mon BERLIN: Geld gehört in den Strumpf

Was soll man in diesen Zeiten mit seinem Geld anfangen? Diese beunruhigende Frage stellt sich jedem von uns, seit die Börsenkurse ohne Netz und doppelten Boden in den Abgrund stürzen. Als ich neulich einen alten französischen Film sah, kam mir eine gute Idee.

Was soll man in diesen Zeiten mit seinem Geld anfangen? Diese beunruhigende Frage stellt sich jedem von uns, seit die Börsenkurse ohne Netz und doppelten Boden in den Abgrund stürzen. Als ich neulich einen alten französischen Film sah, kam mir eine gute Idee. Die Geschichte spielt während der Napoleonischen Kriege in den düsteren Wäldern der Auvergne. Ein langsamer Film, schwarz-weiß, die Menschheit ist in zwei klar getrennte Lager geteilt: Auf der einen Seite die Bösen (tückische Augen, schiefer Mund, krummer Rücken), auf der anderen die Guten (klare Augen, freier Mund, der Rücken tugendhaft gestreckt). Onkel Grange hat sein Vermögen in Guadeloupe gemacht und seinen Schatz aus klingenden Goldstücken unter einer Tanne vergraben. Die Guten und die Bösen liefern sich eine gnadenlose Verfolgungsjagd, um den geheimen Ort zu finden. Das war lange vor den Aktienfonds und den Zertifikaten, vor den Spareinlagen und den Lebensversicherungen. Man brauchte nur einen Spaten und eine Tanne, und schon war das Geld in Sicherheit.

Nach dem Film inspiziere ich meine Wohnung, die Nischen und dunklen Ecken, die Parkettdielen, die oberen Regalbretter, außer Reichweite und vor indiskreten Blicken geschützt, die dicken Matratzen und tiefen Sofas. Warum nicht das Geld von der Bank holen und zu Hause verbergen? Eine bewährte Methode, wirkungsvoll und fast ohne Risiko. Wie so viele Sparer heutzutage denke ich mit einer gewissen – und zugegebenermaßen etwas naiven – Nostalgie an die schlauen Einfälle unserer Vorfahren. Gibt es denn einen besseren Ort für die Ersparnisse als den Hohlraum unter einer losen Parkettdiele im Salon? Oder das Futter des Wintermantels? Nach dem Tod der Großmutter rutschte die tränenüberströmte Familie auf Knien herum und klimperte mit den Fingerspitzen fieberhaft auf dem Salonparkett herum. Plötzlich ein hohler Ton, eine bewegliche Diele, dazu das triumphierende Hurra der Erben, die sich auf die Beute stürzen. Und wie viele trauernde Hinterbliebene haben nicht schon die Nähte der Wintermäntel abgetastet in der Hoffnung, irgendwo im Futter ein Bündel Banknoten zu finden?

Längst verflossen sind die Zeiten, als Geldscheine in Matratzen und unbenutzte Kaminrohre gestopft wurden. Und die Bilder an der Wand verbergen keine Hohlräume mehr, die hinter der unschuldigen Blümchentapete in die Wand geschlagen wurden. Vergessen ist die zum Safe umgewandelte Keksdose, vergessen sind die ledergebundenen Gesamtausgaben von Goethe und Schiller in der Bibliothek: Attrappen, die als Geldverstecke dienten. Damals brauchte man Fantasie, um sein Geld zu verwalten. Heute genügt es, ein seelenloses Dokument zu unterzeichnen, während ein in Anzug gewandeter Bankangestellter zusieht. Und schwupps … schon hat sich Ihr Geld verflüchtigt.

Allerdings birgt auch der häusliche Schlupfwinkel gewisse Risiken. Diebstahl, Feuer … oder, noch schlimmer: Ein Professor aus meinem Bekanntenkreis, der Papiergeld zwischen Buchseiten zu verstecken pflegte, blätterte nächtelang Hunderte von Werken durch auf der Suche nach zwei zwischen Molière und Baudelaire für immer verschwundenen 500- Franc-Noten. Er hatte den Fehler begangen, die Wahl des Verstecks dem Zufall zu überlassen. Dabei bieten manche Bücher symbolische Refugien an und können so als Gedächtnisstütze dienen. Bringt man sein Geld in der „Philosophie des Geldes“ von Georg Simmel unter oder in der Bibel, Matthäus 21, 12–17, wo Jesus die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertreibt, ja, dann hat man sich eine erstklassige Eselsbrücke gebaut.

Heute riecht das Geld nicht mehr, man kann es auch nicht anfassen. In Höchstgeschwindigkeit saust es die Börsenkurse entlang wie ein außer Kontrolle fahrender Wagen auf der Achterbahn. Virtuelles Geld, leicht, durchsichtig, es steigt und fällt, es dreht sich dreimal im Kreis und ist weg, verschwunden, verdunstet, verloren. Um Ihr Vermögen zu retten, fangen Sie gleich heute Abend mit dem Strumpfstricken an. Das ist hübsch, ein bisschen Zen, und so betrachten Sie Dax und Dow Jones mit heiterer Miene.

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke. Von Pascale Hugues ist gerade das Buch „Marthe und Mathilde“ erschienen (Rowohlt), in dem sie das Leben ihrer Großmütter erzählt.

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