zum Hauptinhalt

Mon BERLIN: Mit Louis de Funès durch den Regen

Krise, Börsenkrach und der Märzregen schlagen aufs Gemüt. Das Heilmittel: Louis de Funès.

Seit Wochen lebt Berlin im Regen. Nicht der leichte fröhliche Regen wie bei Gene Kelly, bei dem einen die Lust packt, auf den Bürgersteigen zu steppen. Auch nicht der Sintflutregen der Sommerabende. Innerhalb von Minuten wäscht und scheuert er die ganze Stadt. Danach glänzt Berlin wie ein Silbertablett. Keine Kippe mehr, kein Hundehaufen, keine Bierdose auf der Straße.

Der Märzregen dagegen ist unerschöpflich, hartnäckig, seelenlos. Ein trister, böser Regen. Ein Regen, der den Körper durchdringt und den Kopf mit trübsinnigen Gedanken füllt. Ein Regen, der einen am Sonntagnachmittag vor Langeweile umbringt. Und deshalb muss man mit allen Mitteln versuchen, ihm zu entkommen.

Bekanntlich können alte Filme einem die Tür in eine andere Welt öffnen. Sie zeigen einen rettenden Ausweg, eine vorübergehende Zuflucht vor den Unbilden des Wetters. Ich erinnere mich an einen verregneten Augustabend in London. Die englischen Sommernächte haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Dezembernachmittagen in Berlin. Deutsche hatten eine Feuerzangenbowlenparty in ihrer WG in Clapham Junction, dem größten Eisenbahnknotenpunkt Europas, organisiert. Selbst wenn es nicht regnet, ist Clapham Junction einer der trübsinnigsten Orte, die unser Planet kennt. Sie können sich also vorstellen, dass es einen bei 15 Grad Celsius und Nieselregen im August eher an eine Hölle auf Erden denken lässt. Alles ist recht, was zur Flucht verhelfen kann. Auf dem Perserteppich im Wohnzimmer aneinandergedrängt, hatten die Deutschen den alten Rühmann-Film angesehen, der ihnen die Wärme ihres Landes und ein wenig Trost brachte.

Ein paar Jahre später erlebte ich einen noch stärkeren Gegensatz. Als ich ein paar Monate im Ostberliner Palast-Hotel wohnte, sah ich eines Abends im Fernsehen Fellinis „Amarcord“. Draußen: die dahinsiechende DDR unter einem deprimierenden Dauerregen. Auf dem Bildschirm: ein Provinznest an der Adria mitten im Faschismus. Italien trieft vor Sonne. Ich träumte von Pasta Vongole und von großen erleuchteten Schiffen, die nachts durch das silbrige Wasser der Adria gleiten. Vor meinen Fenstern erhob sich die erdrückende Fassade des Berliner Doms, und auf meinem Teller ächzte ein vertrockneter Camembert unter einer Ladung Preiselbeergelee, eine der Delikatessen der ostdeutschen Gastronomie.

In dieser Woche muss ich nicht lange nach meinem besten Gegenmittel zum Märzregen suchen. Eine einzige Arznei, zugegebenermaßen etwas veraltet, aber hochwirksam: Louis de Funès. Mit einem Schlag hört der Regen auf, meine Fensterscheiben zu malträtieren, der Himmel reißt auf, die Sonne zeigt sich. Schluss mit Schöneberg im März, jetzt sind wir in Saint Tropez im Hochsommer, die Sonne knallt auf die Côte d’Azur und ganz Berlin. Louis de Funès verkörpert die Welt vor der Krise, vor Börsenkrach und reihenweise Konkursen. Die Zukunft lag noch strahlend vor uns, die Gegenwart bestand aus Miniröcken, Bikinis, Twist und Cha-Cha-Cha, aus Milliardärsjachten und lieben, etwas dämlichen Gendarmen. Saint Tropez war noch kein heruntergekommener Urlaubsort für die Starlets aus den Vorabendserien. BB sah noch nicht wie eine reaktionäre Matrone aus. Und die lieben Gendarmen hatten noch nicht die Aufgabe, Pädophilenringe auszuheben, sondern sie mussten über die guten Sitten wachen und aufpassen, dass das Nacktbadeverbot an den Stränden der Côte d’Azur respektiert wurde. Eine Welt, in der man über einen nervösen Tick und eine Sahnetorte als Projektil noch Tränen lachen konnte. Denken Sie also an Heinz Rühmann und an Louis de Funès, und ganz bestimmt werden die Vögel in Ihrer Straße zwitschern, der Himmel wird sein Grau verlieren. Frühling kommt bald!

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke. Von Pascale Hugues ist das Buch „Marthe und Mathilde“ erschienen (Rowohlt), in dem sie das Leben ihrer Großmütter erzählt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false