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Meinung: Mord als Lebenszeichen

Wie die Abu Sayyaf auf den Abzug der US-Truppen reagiert

Von Moritz Kleine-Brockhoff

Die jüngste Gräueltat der Abu Sayyaf ist eine Demonstration: „US-Militäreinsatz hin oder her – wir sind noch da“, heißt die Botschaft. Die aktuelle Geiselnahme und zwei Morde werden von der islamischen Abu Sayyaf als Teil ihres „Heiligen Krieges“ dargestellt, die Opfer sind Zeugen Jehovas. Sie sind arm, als Kosmetikverkäufer zogen sie von Tür zu Tür. Wie immer stört die verlogene Abu Sayyaf nur die Religion derjenigen Geiseln, die niemanden haben, der Lösegeld zahlen könnte. „Nichtgläubige“, die Dollars einbringen, werden freigelassen.

Diesmal war nichts zu verdienen. Diesmal will die Abu Sayyaf, dass ihre „Wir sind noch da“-Botschaft auf der ganzen Welt gehört wird. Deshalb haben die Verbrecher zwei Geiseln enthauptet. Die Gangster wissen, dass sie international kaum beachtet werden, wenn sie philippinische Gefangene nehmen, ohne zu töten. Wer hat schon mitbekommen, dass der philippinische Tauchlehrer immer noch nicht frei ist, der vor zwei Jahren zusammen mit der Göttinger Familie Wallert nach Jolo verschleppt wurde? Auch Geiseln aus anderen asiatischen Ländern bringen kaum Schlagzeilen. Wer weiß, dass seit Mitte Juni drei indonesische Seeleute festgehalten werden?

Wenn die Abu Sayyaf Geiseln enthauptet, wird berichtet. Und jetzt, das gab es noch nie, haben sie zwei abgeschlagene Köpfe provokativ an Orte gebracht, von denen man glaubte, dass die Verbrecher sich dort nicht hintrauen würden – in die Nähe des Militärhauptquartiers und zum Markt der Stadt Jolo. Auch das war ein Zeichen. Die Abu Sayyaf ist auch nach massiven Militäreinsätzen kein armseliger Haufen, der versprengt im Dschungel auf der Flucht ist. Zumindest auf der Insel Jolo kann die Gruppe weiterhin agieren, wo und wann sie will.

Die Abu Sayyaf widerlegt die Darstellungen in Manila und Washington. Vor drei Wochen hatten Politiker und Militärs aus beiden Ländern verkündet, die Abu Sayyaf sei praktisch erledigt. Es gebe nur noch wenige Kämpfer, und die seien nur noch auf der Flucht. Sechs Monate lang hatten 1200 US-Soldaten der philippinischen Armee geholfen, die Gruppe zu bekämpfen.

Die USA kamen in die Südphilippinen, weil sie einen schnellen militärischen Erfolg feiern wollten – als wichtigen Schritt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Als die Amerikaner Ende Juli abzogen, war die Schlagkraft der Abu Sayyaf tatsächlich dezimiert, es gab viel Lob. Aber daraus abzuleiten, dass die Gruppe erledigt sei, war voreilig. Die gemeinsame US-philippinische Militäraktion fand nur auf Basilan statt, einer der beiden Abu-Sayyaf-Inseln. Auf das benachbarte Jolo waren die Amerikaner nicht gekommen. Wie konnte ein Sieg gegen die Abu Sayyaf verkündet werden, wenn bekannt ist, dass das philippinische Militär seit zwei Jahren nicht in der Lage ist, der Gruppe auf Jolo das Handwerk zu legen?

Mit den Entführungen und den Morden in dieser Woche schreit die Abu Sayyaf so laut, wie es ihr im Moment möglich ist. Nach vielen Monaten ohne Lösegeldeinnahmen glaubt niemand, dass die Gangster augenblicklich zu spektakulären Geiselnahmen fähig sind. Die deutsche Familie Wallert und andere Touristen aus dem Westen waren mit Booten von der malaysischen Insel Sipadan nach Jolo geholt worden. Eine andere Gruppe mit Amerikanern wurde von der philippinischen Insel Palawan verschleppt. Die beiden Inseln sind rund 500 Kilometer von der Heimat der Abu Sayyaf entfernt, die Entführungen waren teuer und kompliziert. Solche Aktionen sind heute unwahrscheinlich, das ist ein Erfolg. Das Ende der Abu Sayyaf bedeutet es nicht.

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