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Zum Kampf bereit: pro-russische Demonstranten in Charkiw.

© dpa

Moskau in der Ostukraine: Russland sabotiert die Regierung in Kiew

Die schweren Unruhen in der Ost-Ukraine erinnern fatal an die Krim. Wladimir Putins Machtgebärden können aber nicht über die schlechte Lage Russlands hinwegtäuschen.

Von Hans Monath

Nun können auch die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine ihre Märtyrer vorzeigen, sie haben die Gewalt provoziert. Die Meldungen über Verletzte und Tote schüren neue Spannungen zwischen den Volksgruppen in einem Land, dessen Übergangsregierung überfordert ist. Die gut organisierten und schwer bewaffneten Aktivisten haben einen weiteren Grund, Russland um Beistand zu bitten. Sofern Moskau darauf reagieren wollte, könnte es seine an der Grenze aufgefahrenen 40.000 Soldaten losschicken.

In der Dramaturgie des Geschehens in der Ost-Ukraine gibt es bestürzende Analogien zur russischen Annexion der Krim. Doch die prorussischen Aktivisten werden nicht von einer Mehrheit der Bewohner unterstützt. Die lokalen Eliten wollen vor allem ihre eigene Macht unabhängig von Moskau sichern. Beide aber treibt die Furcht, von der neuen Regierung in Kiew abgehängt zu werden. Die scheint das verstanden zu haben, wenn sie nun mehr Selbstbestimmung verspricht – womöglich zu spät.

Linienlose Politik in Moskau

Der russischen Politik schien in den vergangenen Tagen jede Linie zu fehlen. Einerseits verstärkte sie die Drohkulisse militärischer, wirtschaftlicher und politischer Natur gegen die Ukraine. Auf der anderen Seite stimmte Moskau der OSZE-Beobachtermission zu. Auch an direkten Verhandlungen mit Vertretern Kiews will es teilnehmen.

Wie aber lässt sich Russland daran hindern, das Chaos in der Ukraine weiter zu befeuern? Womöglich sind die Druckmittel, mit denen die EU droht, zu undifferenziert. Sobald Moskau Soldaten über die Grenze schickt, tritt die dritte Stufe der Sanktionen in Kraft, die dann auch die russische Wirtschaft treffen. Doch auf alle Schritte unterhalb der Besetzung – auf die Entsendung von Provokateuren, die Drosselung der ukrainischen Wirtschaft und militärische Drohungen – folgen nur Mahnungen.

Die EU im Dilemma

Die EU ist in einem Dilemma: Weil die Drohung mit Wirtschaftssanktionen die schlimmste Entwicklung, nämlich den Einmarsch, verhindern soll, darf sie vorher nicht umgesetzt werden. Was aber spricht dagegen, die Sanktionen weiter aufzufächern? Moskau sabotiert den Erfolg einer westlich orientierten Regierung in seinem Nachbarland auch deshalb, weil ein ukrainisches Erfolgsmodell die postsowjetische Ordnung Putins bedrohen würde. Die Destabilisierung muss einen Preis kosten. Denn auch das andere Interesse Putins wiegt schwer: Seine Machtgebärden können nicht lange über die schlechte wirtschaftliche Lage seines Landes hinwegtäuschen. Er braucht die ökonomische Zusammenarbeit mit dem Westen, wenn er nicht zum Verwalter des Niedergangs werden will.

Offensiv verlangt Moskau nun Garantien gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Es gibt keinen Zeitplan für einen Beitritt, Obama drängt anders als sein Vorgänger Bush nicht auf eine Aufnahme. Die EU und die USA stehen deshalb vor einer heiklen Frage: Können sie formal auf etwas verzichten, was sie gar nicht anstreben? Aus der Position der Stärke heraus sollte der Westen ein solches Zugeständnis dennoch machen, wenn Russland sich umgekehrt endlich an der Stabilisierung des Nachbarlandes beteiligt. Wichtig dabei ist: Die Entscheidung darf nicht über die Ukraine hinweg, sondern nur mit ihr getroffen werden.

Putin aber muss bald wählen, ob er kooperieren oder weiter destabilisieren will. Moskaus Reaktion auf den Ausbruch der Gewalt in der Ost-Ukraine lässt eher Ungutes befürchten.

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