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Mouhanad Khorchide:: „Gott ist kein Diktator“

Er wurde in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon geboren. Jetzt soll Mouhanad Khorchide in Münster den europäischen Islam voranbringen. Ein Porträt.

Mit seiner Doktorarbeit machte sich Mouhanad Khorchide 2009 in Österreich keine Freunde bei der islamischen Glaubensgemeinschaft. Er hatte herausgefunden, dass über ein Viertel der islamischen Religionslehrer in Österreich den Rechtsstaat ablehnen.

Nicht danach zu fragen, wem man auf die Füße tritt, ist eine gute Voraussetzung für einen Wissenschaftler und erst recht für die Aufgabe, die Khorchide am heutigen Dienstag übernimmt: Er wird der Leiter des neu eröffneten Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster. Das Fach ist neu in Deutschland. Dementsprechend groß ist der Druck, der auf Khorchide und seinen Kollegen lastet. Die Bundesregierung fördert die Islamische Theologie mit 20 Millionen Euro und verbindet damit große Erwartungen: Die Theologen sollen den Islam zähmen, ihn „europäisieren“ und die Integration der hiesigen Muslime voranbringen. Aber auch die islamischen Verbände in Deutschland und die arabische Welt schauen Khorchide und seinen Studenten auf die Finger.

Zwischen muslimischen Welten zu vermitteln ist dem smarten Khorchide nicht fremd. 1971 wurde er in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon geboren, seine Eltern zogen mit ihm nach Saudi-Arabien. Dort lernte er in der Schule die reaktionäre, wahhabitische Auslegung des Islam kennen, zu Hause vermittelten ihm Vater und Mutter eine plurale Sicht auf die Religion. Als Ausländer durfte er in Riad nicht studieren. Er lernte Deutsch und studierte in Österreich Soziologie und Islamische Theologie.

„Ich möchte den Islam mit der Moderne versöhnen“, sagt Khorchide und besteht darauf, dass der Koran dem Propheten Mohammed direkt von Allah in die Feder diktiert wurde. Er möchte einen „dritten Weg“ gehen und nicht gegen die Tradition, sondern aus der Tradition heraus neue Ansätze entwickeln. In seinem kürzlich erschienenen Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ stellt er Allah als liebenden, verzeihenden Gott vor.

„Gott ist kein Diktator“, davon ist Khorchide überzeugt, kein strafender Stammvater und keiner, der die Sünden der Menschen wie ein Buchhalter verwaltet. Der Islam müsse die Mündigkeit der Gläubigen ernst nehmen. Als „Aufklärer“ möchte er aber nicht bezeichnet werden: zu westlich geprägt sei der Begriff, zu negativ konnotiert in der arabischen Welt, zu wenig tauglich für den Balance-Akt, auf den er sich einlässt. Claudia Keller

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