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Meinung: Müssen wir Bürger leiden für Griechenlands Schulden?

„Noch mehr Schulden in Athen“ vom 11. November Jetzt sollen die nächsten Milliarden nach Griechenland fließen, sobald die neue Regierung schriftlich bekannt hat, das bekannte Sanierungskonzept durchführen zu wollen – ohne dass die entsprechenden Gesetze beschlossen, geschweige denn ausgeführt worden wären.

„Noch mehr Schulden in Athen“ vom 11. November

Jetzt sollen die nächsten Milliarden nach Griechenland fließen, sobald die neue Regierung schriftlich bekannt hat, das bekannte Sanierungskonzept durchführen zu wollen – ohne dass die entsprechenden Gesetze beschlossen, geschweige denn ausgeführt worden wären. Und der Regierungschef ist ausgerechnet derjenige, der seinerzeit „Griechenland in den Euro geführt“ hat – man weiß ja, mit welchen Angaben.

Vom Schuldenschnitt ist nur noch verschämt die Rede. Und wenn er doch kommt, müssen wieder die armen darunter leidenden Banken vom Steuerzahler gerettet werden. Vielleicht denkt unsere tüchtige Regierung ja diesmal daran, vor einer solchen Rettung vertraglich mit diesen Banken alle wesentlichen Punkte festzulegen.

Bisher hat sie das stets unterlassen (und nirgendwo in den Medien sind jemals entsprechende Verträge angefordert worden, was ja spätestens dann nötig gewesen wäre, wenn dieselbe Regierung sich nach Zahlung der Milliarden lauthals darüber beklagte, dass die Banken unverdrossen im alten Stil weitermachten). Wozu haben eigentlich alle Ministerien Heere von Volljuristen?

Walter Weis, Kassel

Sehr geehrter Herr Weis,

vielen Dank für Ihren Leserbrief. Die Situation in Griechenland ist in der Tat besorgniserregend und stellt nicht nur das Land, sondern die gesamte Euro-Zone vor eine harte Bewährungsprobe. Deutschland ist als Mitglied der Währungsunion von den Ereignissen direkt betroffen. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie die Euro-Staaten miteinander umgehen sollen, sondern um die Sicherung unserer Währung. Das politische Kernanliegen der Bundesregierung ist es, alles zu tun, damit der Euro seine Stabilität behält. Gleichzeitig haben wir immer wieder deutlich gemacht, dass eine europäische Hilfe für Schuldnerländer immer nur eine Hilfe zur Selbsthilfe sein kann. Um die Belastung der Steuerzahler zu begrenzen, will die Koalition, dass die Kapitalmarktfähigkeit Griechenlands so weit wie möglich wiederhergestellt wird. Voraussetzung dafür ist, dass Griechenland seinen Haushalt saniert und tiefgreifende Reformen durchführt. Der Kurs der Bundesregierung ist bisher sehr erfolgreich. Würde man die vereinbarten griechischen Sparanstrengungen auf die Bundesrepublik Deutschland übertragen, hieße das, unser Land müsste aus dem für 2012 geplanten Bundeshaushalt in Höhe von 306,2 Milliarden Euro 125 Milliarden Euro wieder streichen.

Die Stabilisierungsmaßnahmen schützen den deutschen Steuerzahler. Wenn Banken und Versicherungen infolge einer Staateninsolvenz Griechenlands hohe Summen abschreiben müssten, hätte das Auswirkungen auf den deutschen Bundeshaushalt. In solch einem Szenario würde der Staat die Kreditinstitute nicht fallen lassen können. Eine zweite Bankenpleite, wie im Fall von Lehman Brothers, könnten wir nicht verkraften. Die Insolvenz von Lehman hat über die folgende Kettenreaktion nach Berechnungen von Eurostat einen Rückgang der Industrieproduktion bis zum Frühjahr 2009 um mehr als 20 Prozent bewirkt – nicht etwa in den USA, sondern in der Euro-Zone. Dieser Rückgang entspricht dem im ersten Jahr der Weltwirtschaftskrise 1930 in Deutschland und den USA. Das hatte für viele Bürger Kurzarbeit, Lohnkürzungen und im schlimmsten Fall den Arbeitsplatzverlust zur Folge. Wenn das Bankensystem in Europa zusammenbrechen würde, gäbe es für alle ein böses Erwachen. Viele Unternehmen sind von der Kreditvergabe der Banken abhängig. Jeder Mittelständler, jeder Konzern braucht Kredite, um seine Aufträge vorzufinanzieren – nicht nur Privatpersonen.

Wir haben die Hilfsmaßnahmen für Griechenland an harte Bedingungen geknüpft. Auf dem Euro-Gipfel Ende Oktober in Brüssel wurde zwischen den Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone vereinbart, dass der Privatsektor einen substanziellen Beitrag zu den Hilfsmaßnahmen leistet. Nach harten Verhandlungen einigten sich die Regierungen mit den Banken darauf, dass die privaten Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen, das sind rund 100 Milliarden Euro, gegenüber der Hellenischen Republik verzichten. Diese Vereinbarung wird von keiner der beiden Seiten infrage gestellt. Überdies wurde beim EU-Gipfel ein Plan zur Kapitalverstärkung der Banken beschlossen, damit die Kreditinstitute die Folgen des Schuldenerlasses und die damit verbundenen Milliardenverluste ohne gravierende Konsequenzen für das Finanzsystem stemmen können. Das bedeutet, dass die Kreditinstitute künftig mehr Eigenkapital zur Absicherung risikoreicher Geschäfte brauchen. Die sogenannte Kernkapitalquote muss bei den 91 europäischen Großbanken, die im Sommer am Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) teilgenommen haben, bis zum 30. Juni 2012 auf neun Prozent erhöht werden. Hierüber werden in den nationalen Parlamenten und im Europäischen Parlament in den kommenden Wochen und Monaten Gesetze verabschiedet.

Eine Eskalation der Krise, verbunden mit der Ansteckung größerer Volkswirtschaften, würde für Deutschland weitaus größere Risiken mit sich bringen als ESFS und ESM zusammen. Es geht nicht darum, Ländern zu helfen, die schlecht gewirtschaftet haben. Es geht darum, die übrigen Länder abzuschirmen, damit sie nicht angesteckt werden. Wir investieren letztlich in die Zukunft unseres eigenen Landes.

Es geht um nicht weniger als Europas Zukunft, die Verteidigung seiner Werte und seiner freiheitsstiftenden Wirtschaftsordnung. Ich finde, dass sich dafür die bisherige Anstrengung lohnt, auch wenn man sich dabei auf die Komplexität und die schwierigen Details dieser Krise einlassen muss.

Mit freundlichen Grüßen

— Dr. Volker Wissing ist Stellvertretender

Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion

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